Der Prozess fand am Amtsgericht Calw statt. Foto: Bernklau

An der Schuld hat am Ende des Prozesses keiner Zweifel. Asylbewerber droht Abschiebung.

Calw/Nagold - Das Verbrechen geschah am Vorabend von Weihnachten. Kein halbes Jahr nach der versuchten Vergewaltigung in Nagold hat ein Schöffengericht am Amtsgericht Calw am Donnerstag einen Mann, einen heute 23-jährigen Asylbewerber aus dem Kosovo, der Tat schuldig gesprochen und zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Am Ende hat das Gericht unter dem Vorsitz von Brigitte Lutz ein ziemlich klares Bild von dem, was sich in jener Nacht vor Heiligabend an der Rohrdorfer Steige in Nagold ereignet hat. Zu verdanken haben das die Beteiligten im Calwer Amtsgericht insbesondere der vollkommen abgeklärten Aussage des jungen Opfers, die das Gericht als sehr glaubhaft einstuft und die sogar Verteidiger Holger Böltz Respekt abnötigt.

Der Angeklagte trägt an diesem Tag zu diesem Gesamtbild weniger bei, macht schon zu Beginn der Verhandlung durch seinen Anwalt klar, dass er keine Angaben zur Sache machen wolle. Allerdings räumt er in der Stellungnahme seines Verteidigers unumwunden ein, dass alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zutreffen könnten und es nichts gebe, was er abstreiten könne, er aber Erinnerungslücken bezüglich der Ereignisse habe, die er "zutiefst bedauere".

Das Bild, das sich letztlich für das Gericht ergibt, ist das Folgende: Die heute 23-jährige Frau, die in einer deutschen Großstadt eine Ausbildung absolviert, ist auf weihnachtlichem Heimaturlaub in Nagold, ist an diesem 23. Dezember in der Nagolder Innenstadt unterwegs – wie gegen später auch ihr Bruder und dessen Freunde.

Der "Worst case für eine Frau"

Auch der Angeklagte, ein zur Tatzeit 22-jähriger in Deutschland geborener Asylbewerber, Kind kosovarischer Eltern, ist in dieser Nacht in der Stadt unterwegs – obwohl er eigentlich bei Heilbronn wohnt. Er besucht einen Bekannten in Nagold, einen älteren Herrn, den er nach dessen Aussage immer wieder im Haushalt unterstützt. Die beiden gehen in eine Kneipe, der 22-Jährige trinkt viel Alkohol. Gegen 2 Uhr, der Tatzeit, sind es gut 1,5 Promille, die er intus hat.

Das spätere Opfer ist auf dem Weg nach Hause, als es dem Angeklagten in der Nähe der Nagold-Brücke begegnet, die in Richtung Rohrdorfer Steige führt. Als der telefonierende Mann ihr plötzlich folgt, schrillen bei der jungen Frau die Alarmglocken, sie ruft ihren Bruder an, der zu diesem Zeitpunkt mit Freunden nahe des Vorstadtplatzes in einem Imbiss ist.

In diesem Moment beginnt der 22-Jährige in einem dunklen Bereich der Straße – die Beleuchtung ist zu diesem Teitpunkt ausgeschaltet – die Frau aggressiv anzugehen, greift ihr in den Schritt und an die Brust. "Lass mich in Ruhe, verpiss dich", macht sie dem Angreifer klar. Doch der hört nicht auf. Das alles bekommt der Bruder am Telefon mit, schlägt bei seinen Freunden Alarm. Alle drei jungen Männer sprinten los Richtung Rohrdorfer Steige.

Währenddessen ist die junge Frau über einen Jägerzaun gefallen, der Angreifer hält sie am Boden fest, versucht sie zu küssen. Als das fehlschlägt, schlägt er sie drei Mal fest ins Gesicht, ruft wiederholt: "Ich bring dich um". Sie versucht ihn zu beruhigen, auf ihn einzureden – vergeblich. Ob sie in diesem Moment Todesangst verspürt habe, auf diese Frage antwortet die Frau vor Gericht mit einem klaren "Ja".

Er öffnet seine Hose, lässt sie herunter, berührt sein Opfer mit der Hand direkt im Intimbereich. Doch zu mehr kommt es nicht. Denn in diesem Moment erreicht der erste herbeigeeilte Helfer das Geschehen, versucht den Angreifer zu stellen. Das gelingt erst gemeinsam mit den beiden anderen. Es kommt zum Gerangel, in dessen Verlauf sich der Angreifer in den Unterarm des Bruders des Opfers verbeißt und dort eine heftige Wunde hinterlässt. Dann ist auch schon die Polizei vor Ort, die den mutmaßlichen Täter festsetzt. Inzwischen ist auch die in der Nähe wohnende Mutter der Frau, die nach einem Anruf der Tochter die Polizei verständigt hat, auch am Tatort angelangt.

Sie ist es auch, die die Folgen der Tat direkt mitbekommt, die sieht, dass ihre Tochter später apathisch in der Wohnung liegt – vom mit blauen und grünen Flecken übersäten Gesicht ganz abgesehen. Und sie bekommt mit, welche Sorgen sich der Sohn macht. Immerhin weiß der lange nicht, ob der Angreifer ihn durch den Biss mit einer Infektionskrankheit angesteckt hat. Erst mehrere Wochen nach den Ereignissen kommt die Entwarnung.

An der Schuld des Angeklagten hat an diesem Nachmittag in Calw keiner Zweifel, weder die vorsitzende Richterin, die das alles als "Worst case für eine Frau" bezeichnet und besonders die geschilderten gravierenden psychischen Folgen für das Opfer hervorhebt. Und auch nicht Staatsanwältin Edith Zug. Selbst der Verteidiger nicht, der die Tat "unverständlich und abstoßend" nennt. Der geht auch davon aus, dass für den Verurteilten auf die Haft die Abschiebung folgen wird.