Martina Lehmann blickt nicht pessimistisch auf das Jahr 2020 Foto: Arbeitsagentur Foto: Schwarzwälder Bote

Arbeitsmarkt: Bilanz der Agenturchefin und Ausblick auf 2020

Seit Mitte des vergangenen Jahres sind die rosigen Zeiten am Arbeitsmarkt im Nordschwarzwald erst einmal vorbei. Doch trotz deutlich steigender Kurzarbeit, steigenden Insolvenzen und einer inzwischen auch wieder steigenden Arbeitslosigkeit blickt Martina Lehmann, Chefin der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, nicht pessimistisch auf 2020.

Nordschwarzwald. Das Jahr 2019 begann so verheißungsvoll. Martina Lehmann und ihre Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim konnten sogar positive Rekorde vermelden. Ende Juni stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bezirk auf den Höchstwert von 219 549. Damit lag man im Nordschwarzwald um 1,9 Prozent besser als im Jahr zuvor. In Baden-Württemberg lag dieser Wert dagegen nur bei plus 1,5 Prozent, wie sich Lehmann nicht ohne Stolz im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten erinnert.

Doch dann kam im zweiten Halbjahr die große Trendwende. Die weltpolitische Unsicherheit begann auf die Wirtschaft durchzuschlagen. Die Konjunktur begann zu lahmen. Das merkte man auch bei der Arbeitsagentur. "Wir hatten deutlich gestiegene allgemeine Kundenanfragen, steigende Anfragen zum Thema Kurzarbeit und auch eine steigende Arbeitslosigkeit", zählt Lehmann die Indikatoren der Agentur für die schwächelnde Konjunktur auf.

Ganz deutlich wurde die Entwicklung beim Thema Kurzarbeit. Zeigten im Juni 2019 noch 44 Betriebe im Bezirk der Agentur Kurzarbeit an, so schoss dieser Wert bis Dezember auf 110 Betriebe nach oben. Während der Süden mit den Kreisen Freudenstadt und Calw noch wenig davon betroffen war und ist, stellte sich der Norden mit Pforzheim und dem Enzkreis als klarer Kurzarbeit-Schwerpunkt heraus. Waren im Dezember im Kreis Calw neun Betriebe und 167 Arbeitnehmer und im Kreis Freudenstadt 14 Betriebe mit 491 Arbeitnehmern betroffen, so lagen die Zahlen im Enzkreis bei 66 Betrieben und 2179 betroffenen Mitarbeitern. Insgesamt hat sich die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter deutlich auf 3333 erhöht.

"Ordentliche Bilanz" für das Jahr 2019

Die Zahl der konjunkturellen Kurzarbeiter liegt inzwischen bei 1,4 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Eine Zahl, die Martina Lehmann allerdings nicht in Panik verfallen lassen. "Im Krisenjahr 2009 lag der Kurzarbeiteranteil bei mehr als fünf Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten", erinnert sie sich. Weiteres Indiz für eine schwächelnde Konjunktur: In der zweiten Jahreshälfte 2019 vervierfachte sich die Zahl der von Insolvenz betroffenen Mitarbeiter.

Trotz der schwierigen Umstände könne man für 2019 eine "ordentliche Bilanz ziehen", so Lehmann. Immerhin sei die Zahl der Arbeitslosen in den vergangenen 25 Jahren nur einmal niedriger gewesen, nämlich 2018. Dazu sei der Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen mit knapp über 5000 weiter hoch.

Vor allem inländische Potenziale heben

Angesichts der massiv gestiegenen Kurzarbeit stehe für die Agentur 2020 die Beratung zum Kurzarbeitergeld oben auf der Agenda. Teil der Beratung werde auch sein, die Unternehmen darauf hinzuweisen, die Zeit der Kurzarbeit für die Qualifizierung der Mitarbeiter zu nutzen, die wiederum von der Agentur gefördert werde. Qualifikation sei auch das Mittel, Arbeitslose nachhaltig in Arbeit zu bringen. Wichtig werde im neuen Jahr auch die "frühzeitige und intensive Berufsorientierung" von Schülern am Übergang von Schule zum Beruf sein. Dabei wolle man auch die Eltern als wichtigen Faktor an Bord holen.

Als strategisches Ziel für 2020 hat Lehmann ausgegeben, einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder gering zu halten. Als ein Weg zu diesem Ziel will die Agenturchefin vor allem inländische Potenziale heben und hat da vor allem die Frauen im Fokus. Darüber hinaus gelte es Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu beenden. Dafür müsse man sich vor allem um Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen kümmern, die einen Großteil der Langzeitarbeitslosen bildeten.

Es sei nicht einfach, Prognosen darüber aufzustellen, wie das Jahr 2020 verlaufen werde. Es werde ein spannendes Jahr, so Lehmann, die nach eigenen Aussagen "nicht pessimistisch" ist, was 2020 angeht. Wenn die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vorgelegte Prognose – geringes Wachstum der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und Stagnation der Arbeitslosigkeit – eintreffe, könne sie jedenfalls gut damit leben, konstatiert die Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim.