2011: Türkische Studenten lassen sich in Mindersbach Zwiebelkuchen schmecken. Gerd Hufschmidt (rechts) macht’s möglich. Foto: Youz

Jugendhaus international: Minister Peter Friedrich zeichnet Geschäftsführer Gerd Hufschmidt aus.

Nagold - Frühstück im Jugendhaus. Die zusammengeschobenen Tische sind reich gedeckt. Junge Menschen sind in angeregte Gespräche vertieft. Die Stimmung ist prächtig, an diesem ersten Tag, den die knapp 20-köpfige Studentengruppe in Nagold erlebt. Sie kommen aus der Türkei, sind am Abend zuvor angekommen. Für knapp zwei Wochen leben sie nun im Nagolder Youz.

Mit einem breiten Lächeln beobachtet Gerd Hufschmidt die Szene. Hufschmidt, seit bald 20 Jahren ist er der Leiter des Nagolder Jugendhauses. Und in dieser Zeit hat er kontinuierlich daran gearbeitet, dass im Youz nicht nur über die Integration gesprochen wird. Hier wird Integration gelebt. Dahinter steht im Falle des Jugendhauses ein ganzes Team. Und doch weiß man in Nagold genau, dass die Erfolgsgeschichte des Jugendhauses ganz eng im Zusammenhang mit der Person von Gerd Hufschmidt zu sehen ist.

Dafür bekommt Hufschmidt auch immer wieder Anerkennung gezollt – zum Beispiel im Gemeinderat oder auch von Nagolds Oberbürgermeister. Und nun bekam er sogar eine Medaille überreicht: die Staufer-Medaille. Peter Friedrich, Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Angelegenheiten in Stuttgart, zeichnete mit der Staufer-Medaille Menschen aus, die sich für den europäischen Jugendaustausch engagieren. Das Landratsamt brachte da den Namen Hufschmidt ins Spiel. Zu Recht, wie man in Nagold weiß. Und Gerd Hufschmidt freut sich: "Schön, so eine Anerkennung. Das hat mich sehr gefreut."

Internationalität, Europa, der Abbau von Vorurteilen, mehr Miteinander – all das sind Hufschmidts Kernanliegen. Dabei gehen er und sein Youz-Team das Thema ganz pragmatisch und alles andere als kopflastig an. "Jeder tut, was er kann", sagt er. Und im Falle des Nagolder Jugendhauses ist das einiges.

Hufschmidt hat selbst als Student Erfahrungen mit internationalen Austauschprogrammen gemacht. Gute Erfahrungen offensichtlich. Und so war es eines seiner ersten Anliegen, als neuer Youz-Chef bereits im Jahr 1995 zum ersten Mal in Nagold ein Internationales Workcamp auf die Beine zu stellen. Seitdem kommen regelmäßig Jugendliche aus der ganzen Welt nach Nagold, um hier drei Wochen lang gemeinsam zu wohnen und zu arbeiten. 170 junge Menschen – die meisten von ihnen Studenten – lernten so bereits Nagold und das Youz kennen.

Jugendaustauschprogramme und Begegnungen organisiert das Youz eigentlich am laufenden Band. Schweden, Italien, Barcelona, Frankreich – die internationale Austauschpalette der vergangenen Jahre ist bunt. Ein besonderes Anliegen ist Hufschmidt der Austausch mit der Türkei. Seit 13 Jahren kommt es nun zu den Treffen. Mit der Universität Pamukkale hat man einen zuverlässigen Partner gefunden. Die Studenten aus der Türkei treffen in Nagold unter anderem auf Oberstufenschüler im OHG. Die bekommen dadurch ein zum Teil ganz anderes Bild von der Türkei. "Ein Austausch einer türkischen Universität mit einem Jugendhaus. Das ist schon eine Besonderheit", weiß der studierte Volkswirtschaftler Hufschmidt.

Ein ebenfalls herausragendes Projekt war der Austausch mit Paris. Musizierende Kinder und Jugendliche trafen sich da, um gemeinsam kreativ zu sein. Der Anfang für das Projekt wurde im Übrigen vom Kinderschutzbund gelegt. Tanz und Theaterspiel standen da noch im Mittelpunkt. Doch beim Netzwerker Gerd Hufschmidt sind die Grenzen fließend. So ist der Youz-Leiter auch ehrenamtlich engagiert. Beim Kinderschutzbund und beim VfL Nagold zum Beispiel ist er als Kassierer Vorstandsmitglied. Ein gutes Miteinander, das ist wichtig. "Und das haben wir in Nagold."

Doch zurück zur Internationalität: Multi-Kulti-Flair ist im Nagolder Jugendhaus an der Tagesordnung. Gut besucht wird das Jugendhaus zum Beispiel von vielen Jugendlichen mit russischen, aber auch mit türkischen Wurzeln. Auch das Mitarbeiter-Team steht für Internationalität. Und seit 15 Jahren ist das Nagolder Jugendhaus auch ein beliebter Ort für Praktikanten aus ganz Europa. Italien, Schweden, Lettland, Frankreich, Türkei – Europäische Freiwillige aus diesen Ländern arbeiten jeweils für ein Jahr im Youz. Auch hier wird Europa gelebt, zum Beispiel mit dem europäischen Solidar-Gedanken: Die letzten drei Europäischen Freiwilligen kamen aus Spanien – einem Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent. Wie sagte Hufschmidt: "Jeder tut, was er kann." Ein bis zwei europäische Freiwillige und meist auch noch mindestens ein deutscher Praktikant kommen noch dazu. Sie leben und schlafen unter dem Dach in einer eigenen Youz-Wohngemeinschaft. "Es belebt unser Haus", freut sich Hufschmidt über das internationale Mitarbeiter-Flair. "Jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten ein", verweist Hufschmidt auf zahlreiche Projekte, die von den Freiwilligen ins Leben gerufen wurden. Und es stärkt auch das internationale Profil des Nagolder Jugendhauses. Das Youz in Nagold hat einen guten Ruf. Fast täglich bekommt Hufschmidt Bewerbungen für Praktikantenstellen – die meisten aus der Türkei und Spanien.

Das Nagolder Jugendhaus ist ein offenes Haus. Auch in Sachen Städtepartnerschaft ist Hufschmidt engagiert. Und wenn internationale Gruppen in Nagold eine Bleibe suchen, steht ihnen das Youz offen. Fußball-Mannschaften aus Longwy waren ebenso schon zu Gast im Jugendhaus wie Schüler aus Mauritius. "Da sind wir auch der Stadt dankbar, dass wir ein Haus dieser Größe mitten in der Stadt haben", sagt der Youz-Chef. Gut 15 Schlafplätze kann man im Jugendhaus locker anbieten. Das Youz wandelt sich. Hufschmidt: "Wir sehen uns auch als Jugendherberge für internationale Austauschaktivitäten."

Schon seltsam: Seit 20 Jahren ist Hufschmidt jetzt Chef im Nagolder Youz – eigentlich sollte er doch nur eine Übergangslösung sein. Das Gespräch über ihn und seine Auszeichnung mit der Staufer-Medaille hätte er im Übrigen gerne in einem der zahlreichen gemütlichen Räume im Jugendhaus geführt. Allein, es war gestern morgen nur noch sein Büro frei. Denn neben den Studenten vom Bosporus nächtigt derzeit auch noch eine 30-köpfige Kinder- und Jugendgruppe aus Costa Rica im Jugendhaus.