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Kann es bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum einen Nagolder Weg geben? / Weitere Gespräche folgen

Auf großes Interesse stieß eine Veranstaltung des Arbeitskreises "Bezahlbares Wohnen in Nagold" im Bürgerzentrum. Urschelstiftung, Diakonie und Stadtseniorenrat, die diesen Arbeitskreis bilden, hatten Vertreter der Bauwirtschaft, der Vermieter und der Kommunalpolitik zur Podiumsdiskussion eingeladen.

Nagold. Nach der Begrüßung durch Ulrich Mansfeld als "Hausherrn" im Bürgerzentrum und einer fachlichen Einführung von Bernd Schlanderer, befragte in der ersten Runde Marc Spies (Diakonie) Bernd Rau von Haus und Grund sowie Daniela Rinderknecht von der Diakonie zu ihren Erfahrungen in der Thematik. Investitionsanreiz für Bauwillige, erzielbare Rendite sowie Beeinträchtigungen durch das Mietrecht einerseits als auch die zunehmende Verschärfung der sozialen Situation vieler Wohnungssuchender nicht nur aus den Rändern der Gesellschaft andererseits waren Kernpunkte dieser Runde.

Gewinnspannen einschmelzen

In einem zweiten Podium wurden Rainer Sindlinger als Investor, Thorsten Müller als Bauträger und Architekt sowie Marcus Witzke von der Hoffnungsträgerstiftung befragt. Primär sei nach Sindlinger die Anzahl der Wohnungen zu steigern, indem zum Beispiel Leerstände aktiviert werden. Müller kann sich vorstellen, dass alle Beteiligten ihre Gewinnspannen einschmelzen, wobei "gesunde Kosten" von 3500 bis 3800 Euro pro Quadratmeter vorstellbar seien. Witzke erläuterte das Konzept der Hoffnungsträger-Stiftung. Dabei können durch deutliche Reduzierung der Standards Preise von 2000 Euro pro Quadratmeter erzielt werden, womit Mieten von etwa 7,50 Euro möglich werden.

In der kommunalpolitischen Runde konnten Vertreter aller fünf Gruppierungen des Nagolder Gemeinderats das Themenfeld beleuchten. Im Mittelpunkt stand die Kontroverse darüber, ob eine städtische Wohnbaugesellschaft weiterführend sei. Wolfgang Schäfer (CDU) lehnte eine solche ab, schlug aber vor, vermehrt städtisches Bauland zu aktivieren. Er verlangte eine Optimierung der Bebauung durch Überprüfung der Bebauungspläne und konnte sich ein städtisches Wohngeld vorstellen. Daniel Steinrode (SPD) forderte Investitionen durch die Stadt und verwies auf Beispiele einiger Nachbarstädte, die einen hohen Anteil an Wohnbauförderung betreiben. Ulrich Hamann (FWV) betonte die Rolle der Kommune und wollte das Geschehen keineswegs ausschließlich dem Markt überlassen; er verlangte Auflagen für die Investoren und unterstrich die Gestaltungspotenziale in den Teilorten. Jürgen Gutenkunst (FDP) versprach sich für Nagold eine Preisdämpfung durch eine kräftige Steigerung des Angebotes und plädierte für das Projekt "Jung kauft alt". Thomas Ebinger (Grüne) verwies auf den Flächenverbrauch und plädierte für die Nachverdichtung. Er konnte sich ein "Bündnis für bezahlbaren Wohnraum" analog dem Ravensburger Modell auch in Nagold vorstellen.

OB Großmann sagte, er wolle mit einem "Blumenstrauß von Maßnahmen" der Problematik in Nagold Herr werden. Er plädierte für einen hohen Standard beim Bauen, auch wolle er die Aufgaben der ENEV (Energieeinsparung) nicht unterschreiten. Da er keinen Einfluss bei den Gestehungskosten zu haben glaubte, sah er vor allem bei der Aktivierung von Flächen eine Stellschraube sowie auch im Planungsrecht, bei dem in Zukunft eine anteilige Preisbindung verankert werden soll. Mit dem Hinweis auf die Aktivitäten der Kreisbau-Genossenschaft wäre für Großmann eine städtische Baugesellschaft obsolet.

Triebfedern für beherztes Handeln

In der lebhaften Aussprache wurde darauf verwiesen, dass die gesamte Gesellschaft, nicht nur die Politik, auch alle Akteure der Bauwirtschaft bemüht sein sollten, unter dem Aspekt der sozialen Verantwortung zu handeln. Die Renditeerwartung von Investoren und Vermietern auf der einen Seite sowie die Anspruchshaltung der Nutzer andererseits scheinen hohe Gestehungskosten zu zementieren. Demografie, Siedlungsdruck, Themen des ländlichen Raumes und entstehende gesellschaftliche Polarisierungen seien Triebfedern für beherztes Handeln.

In ihren Schlussworten bedankten sich Schlanderer und Mansfeld für die hohe Qualität und Ernsthaftigkeit der Diskussionen bei diesem eminent wichtigen Thema. Die Signale, nicht alles dem Markt zu überlassen, seien wohl verstanden worden. Welche kommunalen Instrumente einsetzbar sind und ob nicht doch auch eine Nagolder Vereinbarung aller Handelnden zum Wohl der Wohnungssuchenden entwickelbar sei, müsse nach den Kommunalwahlen in einem weiteren Gespräch geklärt werden.