Majestätischer Harris’s Hawk (Wüstenbussard) Fotos: Guimouza Foto: Schwarzwälder Bote

Falknerei: Falkner stellen eine ganz besondere, waffenlose Jagdform vor

Bereits vor 4000 Jahren verließen sich die Jäger der mongolischen Steppe auf einen ganz besonderen Jagdgehilfen: den Greifvogel. Warum sich die Praktik bis heute bewährt hat, berichten Nagolds Falkner-Spezialisten.

Nagold. Mit einer gar majestätischen Ruhe sitzt der Falke von Markus Schieler auf dessen Fausthandschuh. Dieser schützt den Jäger vor den scharfen Krallen des Tieres. Eine Haube wiederum schützt die ebenso scharfen Augen des Vogels vor den Wirrungen seiner Umgebung. "Grundvorraussetzung für das Jagen mit Vogel ist absolutes Vertrauen von beiden Seiten", erklärt Schieler. Daher sei es sehr wichtig, schon sehr früh eine Bindung zum Tier aufzubauen. In der Regel finden Jäger und Jagdvogel zusammen, wenn der Jungvogel bereits 18 Wochen seine Erziehung durch Altvögel genossen hat. So wird gewährleistet, dass der Vogel den Jäger nicht etwa als Elternteil, sondern als gleichwertigen Partner betrachtet. Natürlich muss die Bindung auch aufrecht erhalten werden. Ein Falkner sollte daher regelmäßig Zeit für seinen gefiederten Freund aufbringen können. Rund 20 Jahre kann ein Steinadler alt werden. Die Entscheidung sollte wohl überlegt sein.

In erster Linie verlangt der Umgang mit den Tieren zunächst einen Falknerschein, für den wiederum der Jagdschein Vorraussetzung ist. Bei einem Vorbereitungskurs wird den potenziellen Falknern das nötige Wissen vermittelt, welches sie anschließend bei einer schriftlichen, sowie bei einer praktischen Prüfung beweisen müssen. "Man lernt alles über die Haltung, Fütterung, den Umgang und was bei Krankheit zu tun ist", erläutert Antje Nestle die Inhalte des Kurses. Gerade Krankheitsfälle sieht man den Vögeln nicht zwingend von außen an. Daher sind beispielsweise regelmäßige Kontrollen des Gefieders notwendig. Im Ernstfall muss ein fachkundiger Tierarzt aufgesucht werden. Nicht jeder Veterinär-Mediziner ist mit den speziellen Anforderungen eines Greifvogels vertraut. Der nächstgelegene Arzt seines Vertrauens befindet sich in Karlsruhe, sagt Volker Schimpf, der selbst Besitzer eines Harris’s Hawkweibs ist.

"Falknern bedeutet auch viel Fahrerei", erklärt er weiter. "Wenn man zu oft und zu regelmäßig dieselben Orte abläuft, werden die Krähen irgendwann stutzig", meint er. Dabei sind die Beutevögel wohl sogar in der Lage, das Auto des Jägers zu erkennen, weswegen es sich anbietet, weiter weg oder an viel befahrenen Straßen zu parken. Auch von besonders skurrilen Fällen weiß Jäger Schimpf zu berichten. So habe es schon Kollegen gegeben, die gut getarnt mit dem Vogel unterm Regenschirm oder gar im Kinderwagen an die Schlafbäume der Krähen herangepirscht sind.

Bei der Wahl des Jagdvogels gibt es einige Dinge zu beachten. "Zunächst sollte das Tier einem natürlich optisch zusagen", erzählt Falkner Schimpf. "Wichtig ist aber auch, dass man das örtliche Beutespektrum berücksichtigt." So würde ein Steinadler, der sich vorwiegend von Hasen ernährt, in einer Gegend ohne Langohren wohl nicht glücklich werden. In Deutschland heimisch und damit mit Beute- und Klimaverhältnissen vertraut sind der Steinadler, der Wanderfalke und der Habicht. Allerdings hat sich die Beutepopulation in den letzten Jahren durch die immer kleiner werdenden Lebensräume deutlich reduziert. Daher konzentrieren sich die Feldzüge der Falkner inzwischen hauptsächlich auf Krähen. Hin und wieder erwischt es auch mal eine Taube oder einen Hasen.

Beliebte Jagdstrategie der Mongolen war es, die Beute zunächst durch hartnäckies Jagen zur Erschöpfung zu bringen. Anschließend übernimmt der Falke den entscheidenen Angriff.

Weite Flächen und Waldränder, sogenanntes "Offenland", sind ideale Jagdreviere für die Beizjagd. Denn auf offenem Feld gibt es quasi keine Deckung für die Beute.

Gekonnt ahmt Falkner Schimpf das Fiepen eines Beutetieres nach. Sofort ziehen sich die kräftigen Krallen des Habichtweibchens um den dicken Handschuh des Jägers zusammen. "Habichte sind Grifftöter", erklärt er. "Sie maltretieren ihre Opfer solange mit ihren Klauen, bis sie kein Lebenszeichen mehr von sich geben. Dabei können Sie einen Druck bis 80 Kilo erzeugen". Des weiteren unterscheidet man Grifftöter von sogenannten Bisstötern, zu denen beispielsweise die Falken gehören. Diese lassen es sich nicht nehmen, ihre Beute zu "kröpfen", sprich, ihnen den Hals aufzubeißen und von ihrem Blut zu trinken. Das mag makaber klingen, allerdings befinden sich im Blut der Beute wichtige Nährstoffe für den Vogel.

Ist die Beute ersteinmal erlegt, gibt der Vogel sie freilich nicht so ohne weiteres an seinen Halter ab. Durch geschickte Ablenkung mittels eines Stücks Fleisch lässt sich das Erraubte stibitzen, ohne dass der Vogel es mitbekommt. Denn würde ihm der Jäger sein Essen offen streitig machen, wäre die Freundschaft zwischen Mensch und Tier von nicht allzu langer Dauer.

Oft sind bis zu 20 Sturzflüge nötig, um ein auserkorenes Wild zu erjagen. Zudem geht nicht jeder Jagdausflug mit einem erlegten Tier aus. Jedoch ist das auch gar nicht Hauptziel des Jagdausflugs. Das Erlebnis wiegt hier mehr als das Ergebnis. Das freie Fliegen und ungehinderte Nachgehen des Jagdtriebs stehen im Vordergrund. Futter gibt es im Zweifelsfall vom Jäger. Denn hungrig fliegt es sich schlecht.

Wer an sonnigen Tagen einen Greifvogel im Gleitflug seine Kreise ziehen sieht, mag fälschlicherweise glauben, er tue dies aus entspannter Faulheit. Jedoch steht hier die Energiebillanz im Mittelpunkt. "Die Energiebillanz ist das A und O des Greifvogels", betont Schieler mehrfach. "Die Jagd darf nicht mehr Kraft kosten, als die Nahrung letztlich hergibt."

Wie auch jede andere Form der Jagd darf die Beizjagd nur mit Erlaubnis des Besitzers des Jagdgrundes abgehalten werden. Nagolds Jäger hoffen daher, dass mehr Grundbesitzer die Vorteile der waffenlosen Schädlingsbekämpfung erkennen und nutzen.

"Wirklich faszinierend finde ich, dass diese Form der Jagd so vollkommen ist, dass sich in den vergangenen 4000 Jahren quasi nichts daran geändert hat" beschreibt Schieler seine Leidenschaft.

Am kommenden Wochenende werden die Falkner mit ihren Vögeln auf dem Schlossberg zu sehen sein. Aus Sicherheitsgründen ist eine "Flugshow" leider nicht möglich, jedoch können die Tiere aus sicherem Abstand bewundert werden. Außerdem stehen die Experten vor Ort gerne für weitere Nachfragen zur Verfügung. Geboten wird darüber hinaus neben deftiger Bewirtung mit Wildwurst auch passende musikalische Unterhaltung von den Killbergbläsern und ihren Jagdhörnern.