Max-Richard Freiherr von Rassler zeigt ein Foto, wie die gute Stube des Schlosses einst ausgesehen hat. Fotos: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder Bote

Spezialist: Auf der Weitenburg gehen viele alten Möbel durch Thomas Zinsers Hände

Nagold. Wenn Baron Max-Richard Freiherr von Rassler über die Instandhaltung seiner hoch überm Neckartal thronenden Weitenburg sinniert, dann pflegt er von einer "Gratwanderung zwischen Bankrott und Wahnsinn" zu sprechen. Das gilt nicht nur für das ehrwürdige Gemäuer, das seit mehr als 300 Jahren über neun Generationen in Familienbesitz ist, sondern auch für das erlesene Mobiliar darin. Aber zum Glück für den Schlossherrn gibt es ja mit Thomas Zinser einen Nagolder Spezialisten für besondere Fälle.

Der Baron empfängt uns im Salon im ersten Stock des Schlosses. Es ist die gute Stube des Hauses, dominiert von dunkelrotem Samt. Darüber spannt sich eine kunsthistorisch bedeutsame Stuckdecke mit eingearbeiteten Allegorien auf die vier Jahreszeiten. Das gesamte Interieur entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Stile des so genannten Neorokoko, eine Stilart des Historismus. Des Barons Ahnen Maximilian und Fanny, die diesen roten Salon einst schufen, grüßen als Porträts von der Wand. Das Mobiliar glänzt, in sattem Samtrot, wie neu. Es ist wieder mal das Werk von Thomas Zinser, der mit viel Liebe zu antiquarischen Möbeln auch diesen Renovierungsauftrag des Schlossherrn zur vollsten Zufriedenheit ausführte. Denn: "Dem Baron kann man nichts vormachen." Es gibt kaum ein Polstermöbel auf der Weitenburg, das nicht schon durch Zinsers Hände ging, meint der Baron anerkennend.

Und neue Möbel in seinem ehrwürdigen Schloss? Für Max-Richard Freiherr von Rassler nur die "Ultima Ratio". Also nur die allerletzte Lösung. Das gilt auch für die 140 Jahre alten Möbel in seinem roten Salon. Seine Nachbarn auf dem Hohenzollern, sagt er en passant, hätten übrigens eine ähnlich gute Stube – "nur dasselbe in Blau".

Man traut sich gerne in den ehrwürdigen Mauern

Aber auch an Möbeln, deren Lebenszyklen früher wesentlich länger ausgelegt waren als in der heutigen Wegwerfgesellschaft, nagt der Zahn der Zeit, mögen sie noch so aufwendig produziert worden sein. Denn diese Qualität von einst sei heute fast nicht bezahlbar, sagt Thomas Zinser, der sein Polsterhandwerk bei Rolf Benz gelernt und sich vor 30 Jahren als Raumausstattermeister in Nagold selbstständig gemacht hat.

Vor 140 Jahren wurde noch mit Rosshaar und Palmenfasern hantiert und die Spiralfedern, die zur Dämpfung der Sitzmöbel dienten, wurden aufwendig mit Jutegurten heruntergeschnürt. Solche Möbel zu restaurieren, sei eine echte Herausforderung, sagt Zinser. Nicht nur, weil die Quasten und Posamenten, die die Möbel zieren, nur noch bei auserlesenen Spezialisten zu finden sind. Auch einen solch dicken Samtstoff wie weiland Ende des 19. Jahrhunderts gibt es nicht längst mehr. Weil die Weitenburg heute ein gastliches Haus mit Hotel und Restaurant ist, muss man sich zudem gesetzlichen Ansprüchen fügen: Möbelbezüge, auch in Schlossstuben, müssen feuerhemmend sein.

Am Ende ist Thomas Zinsers Werk gelungen. Der rote Salon strahlt wie zu Maximilian und Fanny von Rasslers Zeiten. Und damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass man auf der Weitenburg nach dem Lockdown an eine Tradition anknüpfen kann. Hier in der guten Stube des Schlosses hat sich nämlich schon eine kleine Heerschar von Brautpaaren das Ja-Wort gegeben. In den besten Zeiten waren es 122 Trauungen per anno, also jeden dritten Tag eine besiegelte Ehe im Neorokoko-Salon. Und neun von zehn Brautpaare feiern – auch wenn es nicht Pflicht, aber natürlich gern gesehen ist – als Gäste ihre Hochzeit auf der Burg überm Neckartal.

Während Tagungen und Seminare zunehmend in die digitale Welt wechseln, setzt Max-Richard von Rassler auf die freien Trauungen: "Man muss sich auf seine Stärken konzentrieren. Deswegen haben wir den roten Salon wieder zum Leuchten gebracht."

Aber, wenn er so um sich schaut, weiß der Schlossherr natürlich um die eigenen Ansprüche an stilgerechte und zugleich nachhaltige Instandsetzung von Gemäuer und Mobiliar: "Man wird nie fertig sein. Nach der Hälfte fängt man wieder von Neuem an." Eben die besagte Gratwanderung zwischen Bankrott und Wahnsinn.