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Hülya Yegin-Singer schreibt   selbstironisch über ihre Strahlentherapie - die Resonanz ist riesig

Die Nachricht traf sie 2014 wie ein Schlag: Hülya Yegin-Singer hat Brustkrebs. Doch anstatt sich unterkriegen zu lassen, schreibt die Nagolder Krankenschwester Tagebuch über die Bestrahlung. Unter dem Titel "Heiter durch Bestrahlung" hat sie dieses nun veröffentlicht.

Nagold/Tübingen. Verlegen streicht sich Yegin-Singer immer wieder eine Strähne ihres kinnlangen schwarzen Haares hinters Ohr. So einen Medienrummel ist die Krankenschwester in der zentralen Notaufnahme des Nagolder Krankenhauses, die in Waldachtal lebt, nicht gewohnt. Zumal es eigentlich keine schöne Geschichte ist, die hinter ihrer Buchveröffentlichung steckt. Bei Hülya Yegin-Singer wurde vor drei Jahren bei einer Vorsorgeuntersuchung Brustkrebs diagnostiziert. Zwei Operationen und 33 Bestrahlungstage warteten auf die heute 51-Jährige.

Mit Humor und Selbstironie gespickt

Nach dem ersten Schock entschied sie sich, dass die Behandlungen trotz allem nicht ihren Alltag bestimmen dürften. Viel eher wollte sie die schönen und heiteren Geschichten um die Bestrahlung herum erleben. "Da ich gerne schreibe, war es naheliegend, ein Tagebuch zu führen", erzählt sie.

Ihre mit Humor und Selbstironie gespickten Eindrücke der ersten Strahlentherapie lud Yegin-Singer, die in Istanbul geboren wurde, in einem sozialen Netzwerk hoch. Schnell begeisterte sie damit nicht nur ihre Freunde, sondern auch Bekannte und Freundesfreunde, von denen manche ein ähnliches Schicksal teilen. Also schrieb sie weiter. Bis schließlich ein ganzes Buch aus den Geschichten entstand. 33 Kapitel, eines für jedem Tag der Bestrahlung.

"Man denkt, eine Krankenschwester weiß Bescheid. Aber die Bestrahlung war für mich etwas völlig Neues", verrät die Autorin bei der Vorstellung ihres Werks im Tübinger Uniklinikum (UKT). Diese findet genau in dem Raum statt, in dem sie die Bestrahlung über sich ergehen ließ. Ein negatives Gefühl hat die 51-Jährige nicht, wenn sie den Raum betritt, betont sie. "Es war auch während der Behandlung nie so, dass ich Gänsehaut bekommen habe. Es war ein ganz normales Gefühl – hier bin ich halt." Von der Diagnose an hatte sich Yegin-Singer fest vorgenommen, nicht über die Aufklärungsgespräche hinaus über die Behandlung oder die Krankheit zu recherchieren. "Ich wollte mich nicht verrückt machen."

Das schaffte die Krankenschwester auch. Im ersten Kapitel erzählt sie anstatt von Angst, von dem Nutzwert, den Yoga für die Bestrahlung hat oder inwiefern sie die Behandlung an "Krieg der Sterne" erinnerte. In einem späteren Kapitel geht es um die Nebenwirkungen der Therapie: Nicht aber Ausschlag oder ähnliches, sondern den "SWR4-Virus" – denn sowohl im Taxi, als auch im Behandlungsraum lief Schlager rauf und runter.

"Das ist eine sehr spezielle Bewältigungsstrategie – mit Leichtigkeit und Humor", meint Daniel Zips, Leiter der Radioonkologie am UKT. Doch wie schafft man es nach so einer Diagnose das Leben, ja sogar die Behandlung, positiv zu sehen? "Ich setze mich immer mit dem Worst Case auseinander. Dann ist alles dazwischen nicht mehr so schlimm", meint die Buchautorin. "Weil ich ein sehr gläubiger Mensch bin, habe ich keine Angst vor dem Tod." Außerdem: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

"Ich möchte den Kampfgeist stärken"

Dass ihr Buch so eine riesige Resonanz hervorrief, scheint die 51-Jährige, die inzwischen symptomfrei ist, selbst zu überraschen. "Viele schreiben mir, dass sie beim Lesen lauthals lachen müssen, obwohl es ihnen schlecht geht", erzählt sie. "Ich möchte bei Betroffenen den Kampfgeist stärken". Bei diesen Worten kämpft Yegin-Singer, die selbst so viel Stärke bewiesen hat, einen Moment lang mit Tränen der Rührung. Dann erzählt sie weiter: Sogar eine Bekannte, deren Bruder an Krebs starb, konnte durch das Buch ihren Frieden finden, weil es ihr viele offene Fragen beantwortete. "Das macht mich unheimlich glücklich." Ihre Devise: "Wenn man heiter rangeht, reagieren auch die Angehörigen, die auch oft unsicher sind, wie sie mit der Situation umgehen sollen, heiter." Und das wiederrum mache es für die Betroffenen leichter.