Der Remigius Kammerchor gibt in der alten Kirche ein ernstes und buntes Benefizkonzert für den Hospiz-Verein
Von Martin Bernklau
Nagold. Es sind nicht nur die adventlichen Klänge. Es ist auch der besondere Ton dieses Ensembles. Und es war der Zweck zugunsten der Hospiz-Initiative, die das Konzert des Remigius Kammerchors in seiner namensgebenden, restlos besetzten und farbig ausgeleuchteten Nagolder Remigiuskirche zum vorweihnachtlichen Ereignis machten.
Die Region, die Stadt brauchen ein stationäres Sterbehaus für ein schmerzarmes Lebensende in Würde und fürsorglicher Geborgenheit. Wieviel Einsatz die vor dreieinhalb Jahren zum Verein gewordene Hospizgruppe, ihre Helfer und Freunde aufbringen, welchen Rückhalt sie für dieses Ziel in der Stadt haben, das zeigten ein bis in kleinste Details – auch vom Ton- und Licht-Team um Sebastian Kalmbach – so sorgsam wie liebevoll gestaltetes Konzert und sein Publikum.
Natürlich war die wunderbare Musik ergänzt von viel dankenden, aufrufenden, mitgestaltenden und werbenden Worten für die Sache, darunter einer weihnachtlichen Rosen-Geschichte aus dem Gefängnis, die Schirmherrin Simone Großmann, Gattin des Oberbürgermeisters, vortrug – vom Redepult aus, das Urban Brenner als sein Geschenk übergab.
Der diesmal von Marius Mack geleitete, so junge wie anspruchsvolle Remigius Kammerchor pflegt einen Gesangsstil auf der Höhe der Zeit: ganz frei von vibrierendem Klang-Lametta, mit dem sich viel Ungenaues verdecken lässt, dabei aber mit einer Bauchspannung ohne Drücken und Forcieren "gestützt", beherrscht und fein dosiert. Die hohe, aber heikel-empfindliche Schule moderner Chorkunst, ob bei der Christophorus-Kantorei oder an der Musikhochschule in Trossingen.
Das Remigius-Repertoire verbindet gern auch das Seltene, Unerhörte aus alten, klassischen und zeitgenössischen Epochen. So auch an diesem Abend. Die Chorsätze der drei thematisch bestimmten Teile ergänzte mit seinem schlicht und klar registrierten Orgelspiel der geistesverwandte Johannes Kalmbach.
Im ersten Abschnitt um Erbarmen, Erwartung und "Kyrie" steuerte er etwa einen Satz aus der Triosonate G-Dur bei, in dem Johann Sebastian Bach das Kopfmotiv seiner klagenden Passions-Arie "Erbarme dich" benutzt. Zum technisch Anspruchsvollsten für Organisten gehörten auch Werke wie Charles Marie Widors Orgelsymphonie-Satz (ohne die farb-prunkenden Finessen für französische Orgeln) oder das nachgelassene Choralvorspiel zu "Es ist ein Ros entsprungen" von Johannes Brahms.
Während der Chor im Mittelteil die Romantik in Adventslied-Bearbeitungen von Mendelssohn über Brahms bis Max Reger ausmaß, galt der Schlussteil genau dieser Melodie mittelalterlicher Volksfrömmigkeit mit einer alten Fassungen von Melchior Vulpius, einer romantischen Heinrich von Herzogenbergs, und einer klassisch modernen Hugo Distlers. Mit jenseitig schwebenden Dissonanzen hat der schwedische Zeitgenosse Jan Sandström einen frühbarocken Satz von Michael Praetorius unterlegt.
Mit dieser Kombination von ganz alt und ganz neu griff der sehr genau dirigierende Marius Mack am Ende den Beginn wieder auf. Da waren auf eine Kyrie-Improvisation (nach dem großen Zertrümmerer John Cage) des Trossinger Professors Manfred Schreier und auf eine historisierenden Adaption eines gregorianischen Chorals vom jungen Christopher Dalitz die empfindlichen klaren Klänge englischer Renaissance aus der Shakespeare-Zeit gefolgt: die fein und makellos geformten Sätze einer vierstimmigen Messe vom William Byrd.
Die sensiblen kundigen Zuhörer verzichteten auf eilfertigen beflissenen Zwischenapplaus, feierten aber am Ende neben dem Remigius Kammerchor auch alle anderen Beteiligten sehr ausgiebig. Es gab als Dank viele, viele rote Rosen aus den Händen der Vereinsvertreterin Bärbel Reichert-Fehrenbach.