Seine Arzthelferinnen unterstützten Thaddäus Wiedmann in seiner Praxis, wo es nur ging. Foto: Fritsch

Allgemeinarzt Thaddäus Wiedmann schließt Praxis schweren Herzens Ende des Jahres: "Ich hänge an meinem Beruf."

Nagold - Die Nachricht löste bei seinen Patienten Bestürzung aus: Nach 34 Jahren schließt Allgemeinmediziner Thaddäus Wiedmann, zum 31. Dezember seine Praxis in der Inselstraße. Die lange Suche nach einem Nachfolger blieb ohne Erfolg.

"Ich gehe schweren Herzens", sagt der 68-Jährige, wenn er an den Ruhestand denkt. "Ich hänge sehr an meinem Beruf", so Wiedmann, der 1985 die Nachfolge von Erwin Wuchter antrat.

Das Alter ist nicht der primäre Grund, warum Wiedmann seine Praxis aufgibt. Seine Praxisräume sind in die Jahre gekommen, es gebe mittlerweile Auflagen und Bestimmungen – gerade in Sachen Barrierefreiheit und Datenschutz – die Investitionen erfordern. "Ich müsste enorm investieren, um weiterhin effektiv arbeiten zu können."

Obwohl Wiedmann selbst noch topfit ist, und sich eigentlich auch weiterhin in der Lage sieht, trotz Rentenalter noch als Arzt zu praktizieren, machen ihm die Belastungen von Nachtbereitschaft und Wochenenddiensten mittlerweile zu schaffen. "Bei den Diensten muss man 24 Stunden belastbar sein."

Dabei ist der Allgemeinmediziner tagein, tagaus von morgens, 7 Uhr, bis abends um 8 Uhr in seiner Praxis oder unterwegs zu seinen Patienten. Früher hätte er auch samstags Notfälle behandelt. Denn Wiedmann war zur Stelle, wenn ihn jemand brauchte. Zudem betreut er Patienten in fünf Pflegeheimen, bei regelmäßigen Hausbesuchen hat er vor allem die älteren Patienten dauerhaft im Blick.

Wiedmann: "Für die Patienten tut es mir sehr leid, es fällt mir so schwer."

Wiedmann kennt seine langjährigen Patienten in- und auswendig: Geburtsdaten, Krankheitsverläufe, Privates, die Sorgen und Probleme – das alles könne er sich sehr gut merken. "Für manche Sachen muss ich gar nicht in die Krankenakte schauen." Und das schätzten auch seine Patienten. "Das Persönliche, die Beziehungen und das große Vertrauen, das mir meine Patienten schenken, hat sich in Jahrzehnten aufgebaut", so Wiedmann. "Für die Patienten tut es mir sehr leid, es fällt mir so schwer."

Seine Patienten werden nun bei anderen Hausärzten unterkommen müssen. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren insgesamt vier Nagolder Allgemeinmediziner ohne Nachfolger in den Ruhestand gegangen sind, sehe die ärztliche Versorgung in Nagold und Umgebung schlecht aus. "Ich bin allen Kollegen dankbar, die diese große Menge an Patienten aufnehmen", so Wiedmann. Doch gerade für Dinge wie Hausbesuche bleibe bei zunehmendem Patientenstrom, verteilt auf immer weniger Schultern keine Zeit mehr, die Wartezeiten für Termine werden immer länger. "Meine Kollegen werden das nicht stemmen können", meint Wiedmann, vor allem, wenn in den kommenden Jahren weitere Ärzte in den Ruhestand gehen werden.

Einen Nachfolger hat Wiedmann trotz intensiver Bemühungen nicht finden können. "Ein Hausarzt ist ein Einzelkämpfer", erklärt er. Er führt ein kleines Unternehmen mit allen finanziellen Risiken. Einen klaren Feierabend gebe es nicht, das Privatleben stehe bei Wochenend- und Nachtdiensten oft hinten an. "Das Einzelkämpfertum ist nicht mehr gewünscht", resümiert Wiedmann. Auch der Verdienst spiele eine Rolle, vor allem wenn die Schweiz oder Stellen in der Industrie locken.

"Was nach dem Ruhestand kommt, wird sich zeigen", so Wiedmann. Es gebe Anzeichen, dass er der Medizin auch in Zukunft nicht ganz fern bleiben wird. Doch in erster Linie möchte er sich seinem großen Hobby intensiver widmen: Der theoretischen Physik. Bevor Wiedmann in Tübingen Medizin studierte, schlug er eine Laufbahn in der Physik ein. Auch heute noch besucht er Vorlesungen an der Universität Tübingen und beschäftigt sich im Internet mit physikalischen Problemstellungen. Außerdem möchte der gebürtige Oberländer, der damals wegen seiner Frau Ilselore nach Nagold zog, im Ruhestand verstärkt Laufen gehen und Klavier spielen.

Wenn Wiedmann zum Jahresende seine Praxis aufgibt, "dann geht nicht nur ein weiterer Hausarzt verloren, sondern auch jede Form der Individualität", findet er. Denn seine Patienten fühlten sich in seiner Praxis Zuhause, wie sie ihm vor allem nach Bekanntwerden seiner Praxisschließung sagten. Das liegt nicht zuletzt auch an seinen drei Arzthelferinnen, die seit Jahren in seiner Praxis arbeiten. Eine von ihnen kümmerte sich bereits bei Wiedmanns Vorgänger, seit nunmehr 45 Jahren, um die Patienten.

Viele von ihnen kennt Wiedmann noch aus seiner Zeit als angestellter Praxisnachfolger von Dr. Wuchter. "Mit den Patienten in meiner Praxis bin ich alt geworden."