Aus einer kleinen Schreinerei wurde eine große Weltmarkt-Firma. Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: RMF Rauschenberger ist einziger Nähmaschinenmöbel-Hersteller in Europa

Eine ruhige Straße mitten in Schietingen; rechts und links nichts als Wohnhäuser mit kleinen Gärten. Nicht gerade ein Ort, an dem man eine Firma mit einer weltweiten Führungsposition erwarten würde.

Nagold-Schietingen. Ebenso unerwartet, wie das große Firmengebäude am Ende der Straße, ist auch die Nische, die sie bedient: RMF – Rauschenberger fertigt Nähmaschinenmöbel. Oder wie es im Firmenalltag genannt wird: Möbel für "Creative-Hobby-Rooms".

In den 1960er-Jahren baute die damals bereits dritte Generation an Schreinermeistern der Familie Rauschenberger eine eigene kleine Möbelschreinerei in der Schietinger Ortsmitte. Von einer benachbarten Firma übernahmen sie dabei die Fertigung von Nähmöbeln. Die damals weit verbreiteten Flachbettnähmaschinen mussten schließlich immer in ein passendes Möbelstück eingearbeitet werden – Aufträge gab es also genug. Als sich aber mit der Zeit mehr und mehr Freiarm-Nähmaschinen durchsetzten, die einfach auf einen Tisch gestellt werden können, standen die Rauschenbergers vor einer Herausforderung: "Es wurde in der Branche überlegt, wie man trotzdem den Markt halten kann", erzählt Jörg Rauschenberger, Schreinermeister, der 1994 in den Familienbetrieb einstieg und nun die Geschäfte führt. Abhilfe schaffte damals die Idee eines anderen Herstellers, die Maschine mithilfe eines manuellen Hebe- und Senksystems im Tisch versenken und somit die Nähmaschine je nach Bedarf von einer Freiarm- zu einer Flachbettmaschine umwandeln zu können.

In den letzten 20 Jahren eroberte die Firma RMF Rauschenberger mit verschiedensten Neuentwicklungen damit den europäischen und auch Teile des weltweiten Marktes. Heute ist das Creative Hobby so angesagt wie zuvor Jahrzehnte lang nicht. Damit gewinnen natürlich auch die Funktionsmöbel der Rauschenbergers wieder an Attraktivität – auch wenn die Näh-Flaute in den 90er-Jahren der Firma keine Probleme bereitet habe, betonen Jörg Rauschenberger und seine Ehefrau Heike, die als stellvertretende Geschäftsführerin tätig ist.

Bis heute ein Herzstück des speziellen Mobiliars: "Freiarmeinlagen", die sich nahtlos an die Konturen der Nähmaschine schmiegen müssen. "Jede auf dem Markt existierende Nähmaschine muss zumindest für eine kurze Zeit in der Firma gelagert werden", erzählt der Inhaber. Allein deshalb sei es ein sehr schwieriger Markt. Die Konturen der Maschinen werden dann ausgemessen, damit sie bei einer Bestellung passgenau aus der Platte ausgefräßt werden können. Wird die Freiarmnähmaschine dann ebenerdig im Tisch versenkt, "muss der Stoff nahtlos darüber gleiten können", erklärt Rauschenberger.

Im November kam die neueste Entwicklung the new generation in Sachen "Creative Hobby-Room" auf den Markt: Herzstück ist ein elektronisch und stufenlos verstellbares Heb- und Senksystem, welches bereits zum Patent angemeldet wurde. Der große Vorteil der einzelnen Möbelstücke im Sortiment der Rauschenbergers ist, dass sie miteinander kombinierbar sind. "Man kann sich seinen Hobbyraum zusammenstellen, wie eine Küche. In der Entwicklung sind wir auf diesem Markt führend", erklärt Jörg Rauschenberger. Leider werde dieses Know How immer wieder weltweit kopiert. Es gebe viele Kunden, die sich über Jahre immer wieder neue Stücke zukaufen, bis ihr Zimmer komplett ist. "Es ist eine ganz eigene Welt", lächelt Heike Rauschenberger.

Eine weitere Nische, die die Schietinger Firma mit zehn Angestellten und drei Aushilfen bedient, sind Fachraumeinrichtungen für Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Beispielsweise produzieren sie Werkbankunterbauten und spezielle Schränke für Werkräume. "Es ist wesentlich gesünder, wenn man eine Firma auf verschiedene Säulen stellt", bekräftigt Jörg Rauschenberger. "Mit der Fertigung von Serienaufträgen von Zimmern für Studentenwohnheime, Hotels, Seniorenwohnungen, ja sogar ein großer Teil der Bundestagsgebäude wurden im Jahr 2001 ausgestattet, haben wir uns ein zusätzliches Standbein geschaffen. Denn Korpusmöbel sind unsere große Stärke." Ein weiteres Standbein im Zulieferbereich sind Spezial-Tischplattensysteme für die Industrie. "Das wichtigste ist, man muss immer wieder die Fühler ausstrecken und den Markt durch Veränderungen selbst gestalten", meint er. Auf diese Weise haben sich nicht nur die Möbel, sondern auch die Firma selbst in den vergangenen 20 Jahren "komplett neu entwickelt."

"Unser Produkt Creative-Hobby-Rooms wird von einem Kleinunternehmen hergestellt, hat aber die Vertriebsstrukturen von einem großen Mittelständler", beschreibt das Ehepaar die Besonderheit ihrer Firma und ergänzt: "Es gibt keinen anderen Nähmaschinen-Hersteller in Europa mehr."