Die meisten Verhandlungen beim Amtsgericht Nagold sind öffentlich. Foto: Köncke

Weil er in betrunkenem Zustand zwei Jugendliche mit der Faust attackierte, hat das Amtsgericht einen 19-jährigen Nagolder verwarnt und zu 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Nagold - Die Verhandlung begann mit 15 Minuten Verspätung. Als Grund nannte der Angeklagte eine Auseinandersetzung mit seinem Vater, den er auf Nachfrage von Richter Martin Link als "hart und verletzend" charakterisierte.

Zunächst weigerte sich der Angeklagte, auf den Vorfall am 1. Juli 2020 in einem Bauwagen einzugehen. Dann müsse man einen neuen Termin festsetzen und die beiden Geschädigten als Zeugen laden, obwohl er die Körperverletzung bereits bei der Polizei eingeräumt habe, bekam der 19-Jährige zu hören. Nach kurzer Bedenkzeit gab er die Straftat zu und zeigte Reue. "Ich war betrunken und nicht mehr Herr meine Sinne." Die Freundin habe ihn wenige Tage vorher verlassen, er sei unglücklich gewesen, habe sich am fraglichen Abend darüber mit einem Freund "ausgetauscht" und später zwei Jugendliche getroffen, "die ich kenne". Gemeinsam seien sie in einem Nagolder Stadtteil in den Bauwagen gestiegen, um Getränke zu konsumieren und sich zu unterhalten. Nach außen habe er sich nichts anmerken lassen, "aber innerlich ging es mir nicht gut", beschrieb der Angeklagte in der Verhandlung seinen damaligen Gemütszustand. Deshalb habe er auch zu viel Alkohol getrunken.

Angeklagte war stockbetrunken und halbnackt

Gegen zwei Uhr nachts kam es zum Streit. Einem der Geschädigten hat er laut Anklageschrift einen Fausthieb versetzt und als sich der andere einmischte, ins Gesicht geschlagen. Aus dem Polizeibericht geht hervor, dass der Angeklagte gegen drei Uhr nachts stockbetrunken und halbnackt aufgegriffen worden sei. Weil er sich bei beiden persönlich entschuldigte – "sie haben mir verziehen" – sei er überrascht gewesen, dass die Staatsanwaltschaft drei Monate später Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung erhoben habe, obwohl er nicht angezeigt worden war.

Franziska Schwemmle von der Jugendgerichtshilfe Calw beleuchtete die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, der noch bei den Eltern wohnt und von ihnen finanziell unterstützt wird. Die Schule habe er abgebrochen. Familiäre Probleme, besonders mit dem Vater, würden ihn stark belasten. Schwemmle sprach sich dafür aus, den Angeklagten zu verwarnen und zur Ableistung von Sozialstunden zu verpflichten.

"Wie stellen Sie sich ihre Zukunft vor?" Er möchte von Zuhause ausziehen, sich politisch oder für die Umwelt engagieren und in dieser Richtung eine Ausbildung anstreben, beantwortete der 19-Jährige die Frage des Richters

Verwarnung und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit

Wegen erwiesener Körperverletzung und dreier Vorstrafen (Beleidigung, Bedrohung, Diebstahl) beantragte die Staatsanwältin, eine Verwarnung auszusprechen. Außerdem müsse der Angeklagte 80 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten und wegen des Eindrucks, den sie im Verlauf der Verhandlung von ihm gewonnen habe, in psychiatrische Behandlung.

Richter Link beließ es bei 50 Stunden und einer Verwarnung. Er legte dem jungen Mann ebenfalls "dringend" ans Herz, einen Termin beim Psychiater zu machen. Mit den Sozialstunden sei er nicht einverstanden, erklärte der 18-Jährige, er werde Widerspruch einlegen. Ließ sich von Link die nötigen Formulare aushändigen, wollte an Ort und Stelle eine Begründung abgeben und wurde vom Richter freundlich aber bestimmt des Saales verwiesen – "weil die Verhandlung zu Ende ist".