Nagold - Die Stadt Nagold hat mit Hilfe eines renommierten Architekturprofessors die Hohennnagold wieder digital auferstehen lassen. Das könnte Grundlage sein für eine Teilrekonstruktion der Burg in Wirklichkeit. Oberbürgermeister Jürgen Großmann ist nicht müde, für dieses ambitionierte Projekt zu werben.

Es gibt viele Ansichten von Nagolds markanter Landmarke. Die älteste überlieferte stammt von Matthäus Merian und zeigt um das Jahr 1640 eine imposante Wehranlage als Kupferstich. Ein Student hatte anno 1902 die Hohennagold in seiner Semesterarbeit mit der Reichsburg Trifels in der Pfalz gleichgestellt und "heroisch überhöht", wie Julian Hanschke im jüngsten Technischen Ausschuss befand.

Hanschke ist nicht nur Professor für Architekturgeschichte, sondern auch ein ausgewiesener Spezialist für digitale Rekonstruktionen und Architekturvisualisierung. Als solchen hat ihn die Stadt Nagold engagiert, um die Hohennagold auf wissenschaftlicher Basis als 3D-Grafik im Zustand von 1644 kurz vor ihrer Zerstörung wiederauferstehen zu lassen.

"Pi mal Daumen"

Es gibt zwar schon plastische Modelle der Burg, zum Beispiel von K.A. Koch aus dem Jahr 1933 oder von Erwin Hespeler von 1969, aber diese sind laut Spezialist Hanschke "ohne echte Vermessung" und meist "Pi mal Daumen" entstanden. Zudem seien Fehler von den Vorgängern oft übernommen worden.

Hanschke selbst ging nun streng wissenschaftlich zu Werke und hat mit Hilfe einer Drohne die Burg mit all ihren Mauerresten von der Luft aus spiralförmig neu vermessen und seine Ergebnisse zudem mit den Daten des geologischen Landesamtes abgeglichen.

Herausgekommen ist bei dieser digitalen Bestandsaufnahme eine monumentale Ansicht der Hohennagold, die zwar nicht so Furore machen dürfte wie Hanschkes letzte Arbeit: die Rekonstruktion des Heidelberger Schlosses, aber doch hinreichend Diskussionsstoff für das weitere Vorgehen des Stadtrates in Sachen Burg liefert.

Oberbürgermeister Jürgen Großmann ließ in jüngster Vergangenheit mehrfach öffentlich, zuletzt beim Wirtschaftsgespräch, seine Begeisterung für das Burgprojekt durchblicken. Im Technischen Ausschuss legte er nach: Man müsse die Weitsicht erkennen für das Potenzial, das in der Burg als touristischer Anziehungspunkt stecke. "Wenn es in Nagold ein visionäres Projekt gibt", erklärte das Stadtoberhaupt, "dann das". Aber Großmann will sich für dieses Projekt auch Zeit lassen – zehn Jahre mindestens.

Reise in die Vergangenheit

In einem ersten Schritt, so schlug er im Ausschuss vor, könnten Burgbesucher über eine App mit QR-Code Hanschkes Modell, das bereits im Netz steht, vor Ort herunterladen und so zumindest digital eine kurze Reise in die Vergangenheit antreten, als noch ein mächtiger Bergfried über der stolzen Hohennagold mit seinem fünfstöckigen Palas thronte. Auch eine interaktive Schautafel auf der Burg ist im Gespräch.

Schon jetzt sei "die Zeit reif" für eine Monografie, sagte Großmann, also für eine größere wissenschaftliche Einzeldarstellung – in Form eines Buches: "Nagold hätte es verdient." In diesem Buch könnte all das bisherige Wissen über die Burg samt Zeichnungen, Modellen, Fotos und Grafiken gebündelt werden. Auf Nachfrage von CDU-Stadtrat Wolfgang Schäfer erklärte Hanschke, dass auch die Besiedlung des Berges in der Keltenzeit mit in diese Publikation einfließen würde. "Brechen wir das Eis für dieses komplexe Thema", sagte der OB zu den Stadträten, ohne aufs Tempo zu drücken: "Sie können ganz entspannt bleiben."

"Nur so eine Idee"

Ein Thema, das Großmann unter den Nägeln brennt, ist die Teilrekonstruktion der Burg. Hanschke schlug in seinem Vortrag die Möglichkeit vor, die beiden existierenden Türme auf der Burg wie einst wieder mit einem Wehrgang zu verbinden oder als weitere Attraktion für die Besucher den Bergfried mit einer Wendeltreppe zu versehen: "Nur so eine Idee."

Ein archäologisches Projekt könnte die Ausgrabung des alten Wasserbrunnens sein, mit dem "Geschichte aus dem Erdreich" (Großmann) nach oben getragen werden könnte.

FWV-Fraktionschef Eberhard Haizmann plädierte im Ausschuss dafür, mit einer Ausstellung im Steinhaus, bei der das 3D-Modell präsentiert wird, die Bevölkerung an die "Sache ranzuführen". Auch OB Großmann erkannte das "herausragende öffentliche Interesse" und will noch eine Bürgerinformationsveranstaltung im Kubus zu diesem Thema abhalten, bevor der Stadtrat erste Beschlüsse fällt.

So blieb es im Ausschuss bei der reinen Anhörung, wobei Großmann nochmals eindringlich an die Gemeinderäte appellierte, für dieses Projekt zu werben: "Eine Historie zum Leben zu erwecken, das kann nicht jeder – und wir haben die Chance."

Das Modell ist zu sehen unter www.sketchfab.com

Seite 2: Historie

Die erste Burg Hohennagold wurde von den Grafen von Nagold, die zudem Pfalzgrafen von Tübingen waren, um 1100 erbaut. In der Mitte des 13. Jahrhunderts ging die Burg an die Grafen von Hohenberg über. Ein Zweig dieser Familie nannte sich künftig Grafen von Nagold und baute die Burg zur Residenz aus. Im Jahr 1363 verkauften sie die Burg an die Grafen von Württemberg, die die Anlage vor allem im 15. Jahrhundert um den äußeren Zwinger mit Bastionen und Ecktürmen erweiterten und die Burg mit ihren Dienstleuten besetzt hielten. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg zerstört.