Das Thema "Baugebiet Hasenbrunnen" ließ im Nagolder Gemeinderat die Emotionen hochkochen. Foto: Fritsch

"Ideologisch Verblendete" gegen Einfamilienhäuser im Baugebiet Hasenbrunnen. Mit Kommentar

Nagold - Es war der letzte Tagesordnungspunkt einer bis dahin sachlichen und disziplinierten Gemeinderatssitzung – doch das Thema "Baugebiet Hasenbrunnen" ließ noch einmal die Emotionen richtig hochkochen. Streitpunkt: Braucht Nagold Einfamilienhäuser in der Kernstadt?

Formal sollte es eigentlich "nur" um die Beratung und den Beschluss gehen, den Teil A des Bebauungsplanentwurfs "Hasenbrunnen/ehemaliges Messegelände" im verkürzten Verfahren öffentlich auszulegen. Über den Inhalt des Bebauungsplans wurde schon früher ausführlich im Gemeinderat und seinen Ausschüssen diskutiert und auch abgestimmt.

Aktueller Planungsstand: auf dem Gelände im Iselshauser Tal westlich der Haiterbacher Straße (B 463) sollen insgesamt 35 Grundstücke für die Bebauung von Einfamilienhäuser (EFH) freigegeben werden. Weitere zehn Grundstücke sollen "gemischt" nutzbar sein für "nicht störendes Gewerbe in Verbindung mit Geschosswohnungsbau". Ein Grundstück soll zudem, wie es im Amtsdeutsch heißt, "gegebenenfalls für erforderliche Wohnfolgeeinrichtungen" bereitgehalten werden; gemeint ist damit eine Kindertagesstätte.

Stein des Anstoßes – speziell für Rainer Schmid, Fraktionsvorsitzender der SPD: eben jene 35 Grundstücke für EFH. Die seien für ihn auf diesem exponierten, wichtigen Areal fehl am Platz. Viel lieber sollte man hier Mehrfamilienhäuser (MFH) errichten, auch im sozialen Wohnungsbau, um rein schon mengenmäßig mehr Wohnraum für Wohnungssuchende bereitzustellen. Wobei Schmid selbst klar war, "dass diese Ansicht nicht mehrheitsfähig" im Gemeinderat sein würde. Aber eben so ganz widerspruchslos wollte man die Planungen, die von der Verwaltung im Einvernehmen mit den Fraktionen der CDU, der FWV und der FDP auf den Weg gebracht worden waren, auch in dieser Sitzung nicht hinnehmen. "In zehn Jahren werden wir alle wissen: Das war ein Fehler."

Unterstützung erhielt Schmid von Brigitte Loyal (Grüne), die sich erinnern konnte, dass Vertreter des alten Gestaltungsbeirats der Stadt Nagold für das Messeareal ursprünglich eine andere Bebauung empfohlen hatten als die jetzt im Planungsentwurf enthaltene. Von dort habe es ausdrücklich die Experten-Empfehlung gegeben, das Gelände mit MFH zu bebauen – analog zur Innenstadtentwicklung etwa in Tübingen, wo es eine ähnliche Situation und Diskussion wie jetzt hier in Nagold gegeben habe.

Ungewöhnlich heftig dann aber die Gegenrede von Wolfgang Schäfer, CDU-Fraktionssprecher: auch wenn er die Position der "ideologisch Verblendeten" nachvollziehen könne, sei er dagegen, "das Fass" Hasenbrunnen noch einmal aufzumachen und über die Art der Bebauung dort neu zu diskutieren. EFH seien, anders als von der Gegenseite dargestellt, noch lange "keine überholte Wohnform". Worauf in der Folge Daniel Steinrode (SPD) einging: Seine Fraktion sei ja gar nicht gegen EFH an sich, aber die gehörten für ihn in die ruhigeren Teilorte von Nagold, wo sie nach wie vor gut aufgehoben wären. Der Hasenbrunnen aber sei nunmal von seiner Lage her "ideal" für bezahlbare, innenstadtnahe Mietwohnungen in MFH.

Allerdings gebe es eben auch "eine extrem große Nachfragen in Nagold" nach EFH, so Oberbürgermeister Jürgen Großmann in seinem finalen Statement zum Thema. Würde man die eben nicht im Hasenbrunnen anbieten, bräuchte man mindesten fünf weitere Jahre Planungsaufwand, um die anderswo realisieren zu können. Da zog denn auch im Gremium das Argument von Bernd Gorenflo (Grüne) nicht, der zuvor auf die "großen Vorteile für Nagold" hingewiesen hatte, die sich durch mehr MFH im Hasenbrunnen ergeben würden – eben dadurch, dass dann in diesem neu zu schaffenden Quartier mehr Menschen leben könnten, die eine höhere Kaufkraft und auch Steuerzuweisungen in die Stadt brächten.

So änderte sich trotz der extrem leidenschaftlichen Diskussion zum Bebauungsplan "Hasenbrunnen" nichts an den zugeordneten Mehrheitsverhältnissen. Und mit 17 Ja- und 7 Nein-Stimmen stimmte der Gemeinderat letztlich dem aktuellem Bebauungsplan-Entwurf und dessen verkürzter Auslegung zu.

Kommentar: Verblendet

Von Axel H. Kunert

Einfamilienhäuser  oder Mehrfamilienhäuser  im neuen Baugebiet Hasenbrunnen? Nach derzeitigen Planungen wird es beides geben. Aber so ein Filet-Grundstück wie das alte Messegelände auch und überwiegend für Einfamilienhäuser herzugeben, wirkt nicht besonders zeitgemäß. Und 35 Bauplätze werden auch nicht den aktuellen Bedarf der Häuslebauer decken – sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Mehr Mehrfamilienhäuser, gerade als sozialer Wohnungsbau, an dieser Stelle wären die bessere Lösung gewesen – weil einkommensschwächere Familien von diesem Quartier aus eine optimale,  günstige  Stadtanbindung hätten realisieren können. Aber irgendwie hat man den Eindruck, dass die Mehrheit im Gemeinderat diese Menschen gar nicht in der Stadt haben möchte. Sind ja auch nicht ihre Wähler. Aber wer ist hier »ideologisch verblendet«?