Der italienische Organist Gabriele Marinoni überzeugte in der Stadtkirche.Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Klassik: Erstes Orgelkonzert in der Stadtkirche nach langer Pause

Nagold. Nach einer langen Zwangspause fand in der Stadtkirche wieder – unter strengen hygienischen Auflagen – ein Orgelkonzert statt. Als Solist trat der italienische Organist Gabriele Marinoni mit den Werken von Frühbarock bis Romantik auf, welche allesamt auf das Hauptmotiv des Kirchenliedes "Vater unser im Himmelreich" zurückgehen.

Die Bezirkskantoren Eva-Magdalena Ammer (Sopran) und Peter Ammer (Orgel, Cembalo) führten in wechselnden Besetzungen acht Strophen des lutherischen Originals vor und der eindrucksvolle, helle Gesang fügte das Konzertprogramm zu einer geschlossenen Einheit zusammen. Den geistlichen Charakter des Abends unterstrich die Pfarrerin zu Dienstaushilfe Christina Drobe mit der Lesung des "Vater unser" aus dem Matthäus-Evangelium.

Der 33-jährige Italiener Marinoni verfügt nicht nur über eine exzellente Ausbildung als Organist, Pianist und Cembalist, er erforscht auch als Musikwissenschaftler die tieferen Strukturen der Musikwerke. Bereits in der Sonate Nr.6 op. 65 von Felix Mendelssohn-Bartholdy kam seine ästhetisch-analytische Vorgehensweise deutlich zutage. Und doch wirkten sowohl die überlegte Auswahl der Klangpalette als auch subtile Abstufung der Dynamik organisch. Die konsequent ansteigende Spannungslinie gipfelte in einer erhabenen und mit Expressivität gesättigten Klangfülle. Im ältesten "Variatio 40 auff Toccata Manier" aus dem Jahr 1627 von Johann Ulrich Steigleder hielt Marinoni weiterhin das Gleichgewicht zwischen virtuoser Technik und innerer Emotionalität, wobei der Einsatz von Zungenregistern – als ein markant-farbiges Überbleibsel der Renaissance – ein positives Zeugnis von sublimen Klangansprüchen des Organisten ablegte.

Die künstlerische Freiheit von Marinoni zeichnete sich in der epischen Spielweise eines Choralvorspiels von Georg Böhm sowie in der fantasievollen Registrierung ab. Im dichten Imitations-Gewebe des Choralvorspiels von Johann Pachelbel glitzerten unentwegt goldene Fäden des Themas, schließlich setzte Marinoni mit seiner gereiften Interpretation des Passacaglia und Fuge BWV 582 von Johann Sebastian Bach den letzten starken Akzent.

Unter normalen Umständen finden in der Stadtkirche etwa 700 Menschen einen Sitzplatz. Aufgrund der aktuellen Beschränkungen durften aber nur 100 Besucher dem Konzert beiwohnen und das Orgelspiel auf dem Beamer mitverfolgen. Mit einem reichlichen Applaus bedankten sie sich die Gäste für den eindrucksvollen Abend, wobei man dem Solisten zusätzliche Pluspunkte für die musikalische Hochleistung bei sommerlicher Hitze dazurechnen sollte.