Autorin Dorit Linke bei ihrer Lesung an der CHR Nagold. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder Bote

Mauerfall: Autorin Dorit Linke liest in der Nagolder Realschule aus ihrem Buch "Jenseits der blauen Grenze"

Der Roman "Jenseits der blauen Grenze" von Dorit Linke ist eine beliebte Lektüre im Unterricht zur Geschichte der ehemaligen DDR in den 1980er Jahren. Über die Flucht von zwei Freunden 50 Kilometer durch die Ostsee las sie jetzt vor zwei 9. Klassen an der Christiane-Herzog-Realschule in Nagold.

Nagold. In Kooperation mit dem Otto-Hahn-Gymnasium war es der Christiane-Herzog-Realschule möglich, Autorin Dorit Linke zu einer Lesung im Rahmen des Deutschunterrichts nach Nagold zu holen, so Schulleiter Andreas Kuhn. Die Schülerarbeit des Evangelischen Jugendwerks vermittelte die vertiefende Autorenlesung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989.

Linke war an diesem historischen Datum gerade 18 Jahre alt. Sie hätte nicht zu träumen gewagt, dieses großartige Ereignis mitzuerleben.

Ihr Roman spielt im Jahr 1989 in Rostock. Die seit langem befreundeten Hanna und Andreas wollen über die Ostsee schwimmend in den Westen nach Fehmarn flüchten – 50 Kilometer, verbunden mit einem dünnen Seil am Handgelenk. Grund ist, dass sie in ihrer Heimat staatlicher Willkür und Repressalien ausgesetzt sind und ihre Träume nicht verwirklichen können. Im Westen wollen sie bei ihrem Freund Sachsen-Jensi unterkommen, der mit seinen Eltern ausgereist war.

Die Geschichte wechselt zwischen der Gegenwart, also der Flucht und blendet immer wieder zurück in die Zeit des Aufwachsens im Osten. Spannend und humorvoll geschrieben, oft mit kurzen Sätzen, die darauf warten lassen, wie sich das nervenaufreibende Abenteuer weiterentwickelt und ob die erhoffte Freiheit erreicht wird.

Dazwischen las Dorit Linke ein Kapitel über die Jugendweihe der 14-Jährigen, mit der sie zu den Erwachsenen aufgenommen wurden. Meist gab es dann viel Geld und die jungen Leute kauften sich davon einen Kassettenrekorder. Das Buch ist ein interessanter Ausflug in die Zeitgeschichte, den die beiden 9. Klassen an der CHR momentan im Deutschunterricht unternehmen.

Im Anschluss an die Lesung entwickelte sich ein ausführlicher Dialog zwischen der Autorin und ihrer Zuhörerschaft. Die jungen Leute wollten wissen, wie Dorit Linke zum Schreiben kam. Sie erklärte, dass dies ein langer Weg war. Zunächst führte sie Tagebuch und schrieb ihre Erinnerungen auf. Das Buch ist in einem knapp zehnjährigen Prozess dann nach und nach entstanden.

"Die Mauer in Berlin ist offen"

Zum Tag des Mauerfalls berichtete Linke, dass sie bei einer Demo in Rostock war und jemand geschrien habe "Die Mauer in Berlin ist offen". Ihre Familie heulte bei ihrer Heimkehr und es hat eine ganze Weile gedauert, bis der Mauerfall bei ihr angekommen war, da er eigentlich komplett unwahrscheinlich schien.

In ihrer Schulzeit, in der ehemaligen DDR, hatte sie zehn Jahre dieselben Mitschüler, neue Mitschüler hatten es nicht leicht. Andere hatten lebenslang denselben Job und verweilten lange Zeit an einem Ort.

Vor einer Flucht hatte sie "Schiss"

Wie sie sich fühlte in dieser Zeit, war eine der Fragen seitens der Realschüler. Die Antwort: "Normal, es fühlte sich normal an. Und es war nichts Auffälliges, da alle das getan haben, was von ihnen verlangt wurde."

Die Schulszenen in ihrem Roman sind realistisch aufgrund der eigenen Erlebnisse der Autorin. "Was war das Schlimmste im Osten?" wollte eine Schülerin wissen. Für Linke war es das Schlimmste, das alles klar vorgezeichnet und schwierig damit umzugehen war. Immer den Mund halten und auf die Zunge beißen, sagte sie. Gäbe es die DDR noch, wäre sie heute keine Autorin. Sie hatte einen Medizin-Studienplatz. Vor einer Flucht hatte sie "Schiss", weil dies lebensgefährlich war, obwohl die Diktatur bedeutete, nicht frei zu sein.

Die Autorin hat noch zwei weitere Bücher geschrieben und arbeitet momentan an der Fortsetzung zu "Jenseits der blauen Grenze".