Bis 6. Januar kommt es zu Fahrplanänderungen und Zugausfällen, heißt es auf der Anzeigetafel am Nagolder Bahnhof in diesen Tagen lapidar. Welche aberwitzigen Blüten das treibt – davon kann das Ehepaar Bernhard ein Lied singen. Foto: Buckenmaier

Personalprobleme führen zu Zugausfällen und damit zu aberwitzigen Reiseempfehlungen.

Nagold-Hochdorf - Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Und wenn er Bahn fährt, dann sowieso. Monika und Robert Bernhard können ein Lied davon singen.

Eigentlich sind die beiden unternehmungslustigen Hochdorfer, 64 und 65 Jahre alt, ja begeisterte Zugfahrer. Denn schließlich sei nicht alles schlecht an der Bahn, sagen sie und erinnern sich noch gut an ihre Wienreise. "Wir sind auf die Minute genau angekommen", entsinnt sich der 65-Jährige. Aber natürlich kennen sie auch die Kehrseite. "Da erlebt man schon viel", sagt Ehefrau Monika. Bei ihrer jüngsten Reise nach Wismar stand sie in überfüllten Zügen zwischen genervten Reisenden.

Aber das nehmen die beiden gerne in Kauf: "Auf der Autobahn ist’s auch nicht besser." Von dem Stress auf deutschen Straßen ganz zu schweigen.

Erkenntnis: Alle Züge gestrichen

Aber ihr jüngster Bahn-Trip trug so aberwitzige Züge, dass ihnen noch heute ein breites Grinsen ins Gesicht geschrieben ist. Dabei war es eine Kurzreise. Gemeinsam mit Alterskameraden aus Baisingen wollte man den Weihnachtsmarkt in Pforzheim besuchen und wählte die umweltfreundliche Alternative: die Kulturbahn.

Auf der Rückfahrt aus der Goldstadt erwischten sie gerade noch den letzten Zug. Den Abschluss des schönen Tages wollte man in der neuen Gaststätte in Nagolds altem Bahnhof ausklingen lassen. Dort angekommen, stieg man gut gelaunt aus. "Dann können wir gleich schauen, wann der nächste Zug nach Hochdorf fährt", meinte Ehefrau Monika, wonach Ehemann Robert zur Anzeigentafel blickte und lakonisch feststelle: "Da hend mir ja Glück: Der nächste Zug fällt aus." Zu allem Unbill war die Gaststätte voll belegt, nur am Stammtisch war noch Platz. Dort scrollte man auf dem Handy den aktuellen Fahrplan der Kulturbahn rauf und runter und musste ernüchtert feststellen: Alle beiden Züge ins heimische Hochdorf wurden gestrichen.

Drei Stunden Fahrt für acht Kilometer Luftlinienentfernung

Aber die Bahn wusste um Abhilfe und schlug der kleinen Truppe – allen Ernstes – eine Odyssee vor, die direkt unterhalb des Bahnhofes beim Gasthof "Eisenbahn" beginnen sollte. Von dort, so schlug die Kunden-App vor, sollten sie den Bus zum keine 300 Meter entfernten Nagolder Busbahnhof nehmen, um dort das erste Mal umzusteigen – in den Bus nach Herrenberg. Dort wiederum würde sich der Inter-Regio anbieten, der von Herrenberg bis Eutingen fährt. Nur noch einmal umsteigen und den Zug nach Hochdorf nehmen – schon wäre man nach etwas mehr als drei Stunden Fahrt- und noch mehr Wartezeit zu Hause.

Drei Stunden für knapp acht Kilometer Luftlinie: "Da sind wir ja zu Fuß schneller", meinte Robert Bernhard und rief kurzerhand seinen Sohn an, der die ganze Truppe mit einem Kleinbus abholte.

Im eiskalten Schienenbus geht's weiter

Doch die Bernhards lassen sich von solchen Erfahrungen nicht so schnell abschrecken. Zwei Tage später saß Ehefrau Monika schon wieder im Zug gen Bodensee. Auf dem Rückweg war dieses Mal in Horb Endstation. Wieder dieselbe Ursache: Personalmangel beim Zugpersonal. Die Fahrgäste stiegen notgedrungen aus und standen geraume Zeit frustriert am Bahngleis. Eine Verbindung, so hieß es, werde später bereitgestellt.

Bis plötzlich eine Frau mit einem Rucksack vorbeimarschierte und rief: "Wer mit Richtung Pforzheim fahren will, der folge mir nach auf Gleis 1." Sie wolle schauen, ob sie einen Schienenbus ergattern könne, sagte die Frau, hinter der Monika Bernhard eine Zugführerin im Feierabendmodus vermutete. Und tatsächlich: Wenige Minuten später rollte ein eben noch abgestellter, aber eiskalter Schienenbus mit Monika Bernhard und ihren Freundinnen Richtung Hochdorf.

"Innerhalb von drei Tagen zwei Mal das Gleiche widerfahren", sagt sie und lacht. Nimmt man da noch mal den Zug? Ehemann Robert winkt auf diese Frage ab. "Das sehen wir locker. Deswegen steigen wir nicht aufs Auto um."

Nur den Spott der Kinder, die den vierrädrigen Untersatz bei ihren Reisen bevorzugen, müssen sie halt ertragen: "Die machen sich natürlich jetzt über uns lustig."