Nach heftiger Debatte unterstützen auch anfängliche Gegner die Finanzierungsvereinbarung.
Nagold - Manchmal kann Gemeinderat spannend wie ein guter Krimi sein – und in diesem Fall gab’s sogar letztlich ein echtes Happyend: einstimmig genehmigte das Gremium – nach extrem heftiger und leidenschaftlicher Diskussion – eine Finanzierungsvereinbarung der Stadt mit dem Land Baden-Württemberg.
Dabei ging es um die Planung der Elektrifizierung jenes Teils der Nagoldtalbahn, der künftig die Stadt (und Region) Nagold an die (ebenfalls elektrifizierte) Trasse der Gäubahn anbinden soll, damit irgendwann in Zukunft der sogenannte "Metropolexpress+" im Stundentakt von Nagold umstiegsfrei bis Stuttgart und dem dortigen Flugplatz verkehren kann. Das Angebot des Landes: Es trägt alle Kosten dieser vorbereitenden Planung, die Stadt Nagold übernimmt im Gegenzug die gesamte dafür notwendige Arbeit.
Der vermeintlicher "Pferdefuß" dieser Vereinbarung – so der Anfangsverdacht im Gemeinderat: Dieses außerordentliche Angebot des Landes könnte an die Zustimmung der Stadt zur im Raum stehenden Einrichtung eines Absprunggeländes für das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Haiterbach (Gegner nennen es: Militärflugplatz) gebunden sein. Schließlich hatte ja Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann mehrfach öffentlich gemacht, dass er "Kompensationen" des Landes eben für dieses Absprunggelände gegenüber sehr offen sein würde – gerade deshalb, um solche Sonderförderungen für genau diese Verlängerung des Metropolexpress bis Nagold sowie für die Mega-Sanierung des Otto-Hahn-Gymnasiums zu bekommen.
Sache hat gewisses "Geschmäckle"
Daher habe "die Sache schon ein gewisses Geschmäckle", forschte etwa Grünen-Fraktionssprecherin Brigitte Loyal der wahren Motivation von Land und Stadt für diese "Finanzierungsvereinbarung" nach. Und auch SPD-Fraktionssprecher Daniel Steinrode zeigte sich ergänzend "sehr verwundert", dass es – wie eine jüngst erfolgte Akteneinsicht von Gegnern des Haiterbacher Absetzgeländes in die Nagolder Verwaltungsvorgänge zu diesem Sachverhalt gezeigt haben sollte – keinerlei Aktenvermerke im Vorfeld dieser Vereinbarung auf Seiten der Stadt zu entdecken gegeben haben soll. Weshalb Steinrode erst einmal Mauschelei und Vertuschung vermutete. Sein schon auch mit viel Entrüstung vorgetragener Antrag deshalb: "Entkoppelung" von allem, was mit dem Metropolexpress für Nagold zu tun hat, von der Thematik Absetzgelände. Weil der Metropolexpress auch ohne Absetzgelände für das Land eine Notwendigkeit haben müsste.
Was (an diesem Abend bereits zum zweiten Mal) ordentlich Theaterdonner von CDU-Fraktionssprecher Wolfgang Schäfer provozierte: "Sie machen sich Ihre Welt wie Pippi Langstrumpfs wohl auch so, wie Sie Ihnen gefällt!", polterte dieser in Richtung des SPD-Ratskollegen. "Wir diktieren dem Land nicht, was es zu tun hat."
Aber nach der Polemik folgten auch Fakten: Denn der Anschluss Nagolds an den Metropolexpress erfülle aktuell die notwendigen Wirtschaftlichkeitsbedingungen nicht – weshalb es mitnichten eine besondere Notwendigkeit für das Land gebe, sich um die elektrifizierte Anbindung Nagolds an die Gäubahn-Trasse zu kümmern (und eventuell auch an die Albbahn, wie OB Großmann ergänzte; auch das sei dann möglich). Nur bei einem "Sondergrund" wie eben durch das Absetzgelände gebe es eine Förder-Motivation – "ob uns das gefällt oder nicht". Und: "Wir haben da kein anderes Druckmittel", weshalb es gelte, "diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen".
"Wenn wir das nicht annehmen, sind wir selber schuld"
Erst mit "diesem Fuß in der Tür" – also einer durch die Landesförderung möglichen Planung der Elektrifizierung der Bahnstrecke – gewinne auch der tatsächliche Streckenausbau an echter Relevanz, denn mit einer fertigen Planung wachsen die Chancen, dass das Land nach diesem ersten Schritt auch alle weiteren gehen könnte. Oder, wie es FWV-Fraktionssprecher Eberhard Haizmann ausdrückte: "Wir wären vom Hund gebissen, wenn wir dieser Vereinbarung nicht zustimmen." Oder noch mal anders formuliert – diesmal von Jürgen Gutekunst (FDP): "Das ist ein Geschenk des Landes – wenn wir das nicht annehmen, sind wir selber schuld."
Allein Günther Schöttle (AfD) teilte grundsätzlich die Einschätzung von SPD und Grünen, dass die Anbindung der Nagoldtalbahn an den Metropolexpress eben kein solches "Geschenk" sei, sondern doch eine "Pflicht" – wollte aber vor allem vom OB wissen, warum dieser unbedingt (auf eigene Kosten der Stadt) das notwendige Personal "der ja sicher für drei, vier Jahre angelegten Planung" gemäß der zu diskutierenden Vereinbarung kostenlos bereitstellen wolle. "Weil wir alle Fäden in diesem Planungs-Verfahren in den Händen halten wollen", so der OB in seiner Entgegnung, um dabei später "keine bösen Überraschungen" erleben zu müssen. Womit Großmann aber im Finale dieser Auseinandersetzung mit Teilen seines Gemeinderats erst zu selten erlebter Bestform auflief.
Und dabei wohl auch mit dem (mit unendlicher Leidenschaft vorgetragenen) finalen Argument für einen Sinneswandel auch bei den bisherigen Gegnern der Finanzierungsvereinbarung sorgte: denn "es gibt keinerlei Vorbedingungen des Landes" für den Abschluss des Vertrages zur Übernahme der Planungskosten für die Elektrifizierung. Allein in der Präambel des Vertrages steht zwar – Zitat: "Das Land unterstützt diese Bemühungen (Anmerkung: zur besseren Anbindung Nagolds an Stuttgart) auch als Kompensation zu dem Vorhaben ›Absetzgelände‹ Haiterbach/ Nagold." Das allerdings sei, so Großmann, aber eben keine Bedingung, sondern eine Selbstverpflichtung des Landes – durch die Nagold in keinster Weise automatisch zur Zustimmung zum Absetzgelände gebunden werde. Das Angebot, diese Planungskosten (bis zu einer Höhe von maximal vier Millionen Euro) zu übernehmen, sei eben wirklich ein echtes und wirklich außergewöhnliches Geschenk des Landes.
"Dieses einmalige Angebot des Landes liegt jetzt auf einem Silbertablett vor Ihnen auf dem Tisch." Was offensichtlich letztlich großen Eindruck auf wirklich alle Stadträte machte – denn der finale Entscheid über die Finanzierungsvereinbarung mit dem Land fiel dann überraschend einstimmig aus – sogar ohne Enthaltungen. "Das haben Sie wirklich gut gemacht", entfuhr es wohl deshalb spontan einem sichtlich erleichterten Oberbürgermeister bei diesem ganz besonderen Beispiel für den in letzter Zeit ja arg strapazierten "Nagolder Geist".