Foto: Sebastian Kowski

Markus Weickert ist Schauspielstudent an der Hochschule für darstellende Kunst. In dieser Spielzeit hat er am Staatsschauspiel sein erstes Engagement.

Stuttgart - Markus Weickert ist Schauspielstudent an der Hochschule für darstellende Kunst. In dieser Spielzeit hat er am Staatsschauspiel sein erstes Engagement. Seit Herbst steht er auf der Bühne im Schauspielhaus. "Da musste ich erst mal Hemmungen abbauen", sagt er.

Nur ganz selten schielt der junge Mann mit den blonden Haaren zu der Uhr an der Wand in der Kantine im Stuttgarter Schauspielhaus. Die schwarzen Zahlen und Zeiger sehen aus wie bei den Uhren am Bahnhof. Der 26-Jährige wirkt entspannt. Unruhig soll er erst werden, wenn die Zeiger auf zwei nach elf stehen. Doch das wird erst in einer Stunde sein. Wie am Bahnhof klingen auch die Lautsprecherdurchsagen in der Kantine. Ständig werden Menschen mit fremd klingenden Namen auf die Bühne gerufen. Der Name Markus Weickert ist nicht dabei. Natürlich nicht. Der 26-Jährige ist Student im vierten Jahrgang an der Schauspielschule in Stuttgart. Im Rahmen des Schauspielstudios arbeitet er für eine Saison im Schauspiel Stuttgart. Im Januar wird er in Anton Tschechows Drama "Der Kirschgarten" zu sehen sein.

Wenn Markus Weickert vom Theater spricht, wechselt er die Sitzposition. Er lehnt sich zurück und sagt Dinge wie: "Es gibt nur gutes und schlechtes Theater - so einfach ist das." Gut sind für ihn Inszenierungen, die eine Aussage transportieren und mit den Mitteln des Theaters eine Geschichte erzählen. Darin sieht er seine Existenzberechtigung als Schauspieler. Er sagt, dass er die Arbeiten von Regisseur Volker Lösch sehr möge. "Nur das nachzuahmen, was Kino und Fernsehen machen, bringt nichts."

Es gibt ein bestimmtes Stück, das ihn ganz besonders beeindruckt hat. Als er es gesehen hat, war ihm auf einmal klar, warum er überhaupt Schauspieler geworden ist. Er gerät ins Schwärmen. Die graublauen Augen werden groß. Dann hält er inne und stützt sein Gesicht in die Hände. Er weiß nicht mehr, wo er es gesehen hat und wie das Stück heißt. Der Moment soll eine Ausnahme bleiben. Markus Weickert wirkt nicht wie jemand, dessen Gedanken allzu oft ziellos umherspazieren und sich irgendwo verlaufen. Nur die Figuren, die er verkörpern soll, sind oft so. Max in Kerstin Spechts Stück "Der Zoo" beispielsweise, den er in der Schauspielschulproduktion im Theater im Depot spielt.

Vollkommen entrückt robbt er am Ende des Stücks auf dem Boden. Der dünne nackte Oberkörper ist ganz rot vor lauter Kunstblut. Das Gesicht macht er sich mit Puder weiß. "Ich werde oft für die gebrochenen Typen besetzt", sagt der Schauspieler. Wenn Markus Weickert von sich selber spricht, wechselt er wieder die Sitzposition. Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch, legt sein Kinn in den Händen ab, zieht die Augenbrauen zusammen und sagt Dinge wie: "Ich kann immer nur auf der Höhe meiner Kunst sein und mich anbieten." Daneben gebe es viele Aspekte, die ein Schauspieler nicht beeinflussen könne. Wie er aussieht zum Beispiel. Er bezeichnet sich als "groß, blond, schlacksig und nicht hundertprozentig den Schönheitsidealen entsprechend".

Ein bisschen trotzig klingt er, wenn er sagt, dass er dennoch auch mal einen Liebhaber spielen will. Die Sensibilität und das Einfühlungsvermögen habe er, sagt er. Er beweist es unabsichtlich selbst, wenn er davon spricht, wie schwer es ist, als Schauspieler seinen eigenen Blick für Ästhetik zu entwickeln. Und wie es ist, sich selbst einzuschätzen, wo doch die eigenen Leistungen von verschiedenen Menschen so unterschiedlich bewertet werden.

Dennoch erscheint sein Verhältnis zur Schauspielerei unverbissen. Er hat sich spät für den Beruf entschieden. In der Nähe von Zittau hat er 1999 eine Lehre als Elektroinstallateur gemacht und 2004 während eines Freiwilligen Sozialen Jahrs ein Wandertheater geleitet. Dort reifte sein Wunsch, Schauspieler zu werden. "Wegen der intellektuellen Herausforderung, im Kopf nicht nur man selbst zu sein."

"Schauspielen ist das Nonplusultra." Diesen Satz sagt Weickert mehrere Male an diesem Vormittag. Aber er brauche auch die Welt jenseits des Theaters. Er bezeichnet sich als Landei. In der Oberlausitz ist er groß geworden, er hat auf Bauernhöfen in der Schweiz und in Island gearbeitet. Einmal war er auf einer Alm. Wenn er kein Schauspieler mehr sein könnte, überlegt er, würde er vielleicht Landwirt werden. "Oder reisen - nein, ich würde reisen." Jetzt aber sei er erst mal hier, sagt er. In "Der Kirschgarten" spielt Markus Weickert den jungen Diener Jascha. "Angesichts der Kollegen vom Schauspielhaus musste ich erst mal Hemmungen abbauen." Das habe er jetzt geschafft. Unruhig wird er nur noch manchmal. Zum Beispiel jetzt. Die Proben haben vor zwei Minuten begonnen.

Schauspielschüler Markus Weickert ist am 16. Januar im Schauspielhaus in Tschechows Stück „Der Kirschgarten“ zu sehen.