Shakespeare auf dem Max-Eyth-Steg: Jonas (Julius Gause) und Emily (Lina Hüesker) proben Foto: SWR//Bojan Ritan

Der ARD-Film „Nach uns der Rest der Welt“ erzählt mit viel Herz und ein wenig Kitsch vom Glück der Jugend, das für alle möglich ist – besonders in Stuttgart.

Jonas (Julius Gause) muss schon wieder an eine neue Schule, diesmal in „Kack-Stuttgart“. Er ist genervt von seiner Behinderung, von der überfürsorglichen Mutter (Anneke Kim Sarnau) und von dem „ganzen Rollstuhl-Bespaßungs-Mist“. Doch als Jonas seine neue Klassenkameradin Emily (Lina Hüesker) kennenlernt, die hübsch, beliebt und überdies die Tochter seiner Ärztin (Sophie von Kessel) ist, wandelt sich nicht nur seine Beziehung zu Stuttgart, sondern auch zum Leben.

Erste Liebe zwischen Weinbergen und Schlossplatz

Jonas möchte tanzen, will Gleitschirm fliegen, hat Lust feiern zu gehen. Seine Behinderung verbietet ihm, seine Jugend zu leben. Sie scheint ihm auch die wichtigste pubertäre Erfahrung zu verwehren: „Das Schlimmste ist, dass ich Dir noch nicht mal ein richtiges Date bieten kann.“ Doch mit Emily ist alles ganz leicht. Gemeinsam erkunden sie Stuttgart, proben in den Weinbergen für die Aufführung, düsen unbeschwert mit Fahrrad und Rollstuhl über den Schlossplatz und knutschen mit Blick über die Stadt. Bei der ersten großen Liebe steht einem die Welt offen: Der schüchterne erste Kuss, dann das nervöse erste Mal.

„Ziemlich beste Freunde“ (2011), „Ein ganzes halbes Jahr“ (2016) – Filme, die Menschen mit Behinderung als Liebende wertschätzen und ihre Sexualität ernstnehmen, sind selten, doch wurden in den letzten Jahren zu großen Erfolgen. Die SWR-Produktion „Nach uns der Rest der Welt“ knüpft deutlich an sie an, doch verjüngt die Perspektive um die besonderen Hoffnungen und Nöte des Jungseins. Regisseurin und Autorin Franziska Buch hat sich intensiv auf den Film vorbereitet und mit vielen Menschen gesprochen, die an Duchenne-Muskeldystrophie erkrankt sind. Ihre Geschichten sind in den Film eingeflossen. So zeichnet der Film ein feinfühliges Bild einer Jugend im Rollstuhl und zeigt zudem die Kämpfe der Mutter mit knausrigen Krankenkassen, überforderten Schulen und mit der Herausforderung, den Sohn ein eigenes Leben führen zu lassen.

Man verzeiht den sanften Kitsch

„Nach uns der Rest der Welt“ erzählt die Liebesgeschichte mit so viel Herz, dass man die Armut an Überraschungen und den sanften Kitsch verzeiht, wie etwa den obligatorischen Zusammenprall des Liebespaares am Anfang des Films oder Emilys in die Lüfte gehauchtes „Sei einfach glücklich“. Die Zuneigung des Films zu seinen Figuren ist auch spürbar im Humor: Lena sitzt wie Jonas im Rollstuhl und möchte Hawking genannt werden, schließlich will sie Physik studieren. „Nach uns der Rest der Welt“ berührt und zeigt, wozu junge Liebe fähig ist. Sie lässt einen fliegen, unsterblich erscheinen – und im Rollstuhl tanzen.

Nach uns der Rest der Welt: Ausstrahlung am Mittwoch, 4. Oktober, 20:15 Uhr in der ARD. Der Film ist bereits in der ARD-Mediathek abrufbar.