Bei ihrem Vormarsch gegen letzte Gaddafi-Stellungen holen sich Aufständische blutige Nase.

Tripolis/Kairo/New York - Nach dem herben Scheitern ihrer Angriffe auf die letzten Gaddafi-Hochburgen haben sich die Truppen des libyschen Übergangsrats vor Sirte und Bani Walid neu gesammelt. Neue Attacken starteten sie am Samstag nicht. Beide Seiten lieferten sich lediglich sporadische Raketen-Duelle. Ein Sprecher des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi drohte den Rebellen mit einem „langen Krieg“, der „Monate“ dauern könnte.

Am Vortag waren die Aufständischen bei ihrem Vormarsch auf Sirte und Bani Walid auf unerwartet heftigen Widerstand der Gaddafi-Getreuen gestoßen. Nachdem sie in die beiden Städte vorgedrungen waren, mussten sie sich unter Verlusten wieder zurückziehen. Die Küstenstadt Sirte, der Wüstenort Bani Walid und die südliche Stadt Sebha sind die letzten größeren Bastionen der Streitkräfte Gaddafis. Von dem ehemaligen Diktator selbst fehlt jede Spur.

Bei Sebha ergriffen die Truppen des Übergangsrates gleichfalls die Initiative. Sie umzingelten die Stadt und nahmen nach Kämpfen den nahe gelegenen Flughafen ein. Nach Angaben arabischer Nachrichtensender wurden an den drei Fronten insgesamt 13 Gaddafi-Gegner getötet und Dutzende weitere verletzt.

Der Gaddafi-Sprecher Mussa Ibrahim behauptete am Samstag, der frühere Despot leite persönlich den „Abwehrkampf“ gegen die Rebellen. „Die Schlacht ist noch lange nicht vorbei“, sagte er im syrischen Fernsehsender Al-Rai. „Wir haben Waffen und Ausrüstung für einen langen Krieg vorbereitet.“ Die Nato bezichtigte er, in der Nacht zuvor bei einem Luftangriff auf ein Wohnviertel in Sirte 354 Zivilisten getötet zu haben.

Seite 2: Nato kündigt Analyse an

Das nordatlantische Bündnis trat diesen Vorwürfen entgegen. Kampfjets des Bündnisses hätten eindeutig militärische Ziele bombardiert. Ein Militärsprecher kündigte jedoch eine genaue Prüfung an. Man werde „eine eingehende Schadensanalyse vornehmen“, hieß es am Samstag in einer Erklärung des Nato-Militärsprechers Oberst Roland Lavoie.

Die in Libyen eingelagerten chemischen Waffen seien unter Kontrolle der Aufständischen, berichtete der „Tagesspiegel“ (Sonntag) unter Berufung auf internationale Sicherheitskreise. Die Senfgas-Bestände seien in der Chemieanlage Ruwagha 600 Kilometer südöstlich der Hauptstadt gelagert. Die Nato überwache den Komplex aus der Luft. Das Gaddafi-Regime, das 2004 der internationalen Chemiewaffenkonvention beigetreten war, meldete damals einen Bestand von 23 Tonnen.

Die Vereinten Nationen haben den Übergangsrat der Gaddafi-Gegner als neue legitime Vertretung des Landes anerkannt. Den bisher dem Gaddafi-Regime vorbehaltenen Sitz sprach die Vollversammlung der 193 UN-Mitglieder in New York den neuen Machthabern zu. Der UN-Sicherheitsrat lockerte die Sanktionen gegen Libyen und billigte die Entsendung einer UN-Mission.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Entscheidung als Startschuss für den Wiederaufbau des nordafrikanischen Landes. „Der Sicherheitsrat hat mit der einstimmigen Annahme von Resolution 2009 ein wichtiges Zeichen der Unterstützung des neuen Libyen durch die internationale Staatengemeinschaft gesetzt“, sagte Westerwelle laut Mitteilung des Auswärtigen Amtes am Samstag. Mit der Entsendung einer zivilen Mission würden die Vereinten Nationen „eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einem demokratischen und rechtsstaatlichen Libyen übernehmen“.

Die teilweise Aufhebung der Sanktionen betrifft die staatlichen Ölunternehmen und die großen Banken des Landes. Auch das strikte Waffenembargo wurde gelockert. Die United Nations Support Mission in Libya (UNSMIL) soll zunächst für drei Monate zum Einsatz kommen. Sie soll den Libyern bei der Stabilisierung der Lage nach dem Umsturz und beim Aufbau des Rechtsstaats helfen sowie auf die Einhaltung der Menschenrechte achten.