Nach dem NSU-Ermittlungsdesaster wird der Verfassungsschutz nun neu geordnet. Foto: dpa-Zentralbild

Im Fall der rechten Terrorzelle NSU lief beim Verfassungsschutz mächtig viel schief. In Zukunft sollen sich die Ämter in Bund und Ländern deutlich mehr austauschen. Auch der Einsatz von V-Leuten wird im Gesetz geregelt. Doch von vielen Seiten kommt Kritik.

Berlin - Als Konsequenz aus dem Ermittlungsdesaster im Fall der rechten Terrorzelle NSU will die Bundesregierung die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer in Bund und Ländern neu ordnen. Das Kabinett brachte dazu am Mittwoch eine lange diskutierte Reform auf den Weg. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse bekommen und im Zweifel auch in den Ländern operativ eingreifen können. Für den Einsatz von V-Leuten werden im Gesetz erstmals Regeln festgelegt. Linke und Grüne zeigten sich unzufrieden mit den Plänen. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff meldete rechtliche Bedenken an. Auch in den Ländern gibt es noch Gesprächsbedarf.

Die Reform ist eine Reaktion auf die Verfehlungen im Fall NSU. Der Verfassungsschutz war dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ jahrelang nicht auf die Spur gekommen. Der rechten Gruppe werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern und einer Polizistin.

Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern sollen nun per Gesetz zu einem intensiveren Informationsaustausch verpflichtet werden und eigene Erkenntnisse ausführlicher als bislang in eine gemeinsame Datenbank einspeisen. Das Bundesamt soll die Zusammenarbeit der Ämter koordinieren und die Erkenntnisse zu wesentlichen Phänomenbereichen zentral auswerten. Bei gewaltorientierten Bestrebungen in den Ländern soll das Bundesamt notfalls selbst in die Beobachtung einsteigen können.

Für den Einsatz von V-Leuten werden im Gesetz Regeln festgeschrieben

In einzelnen Ländern stößt das auf Widerstand. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Ressortchef Roger Lewentz (SPD), sagte der dpa, über diesen Punkt sei noch zu reden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hielt dagegen, es habe eine enge Abstimmung mit den Ländern zu dem Vorhaben gegeben.

Voßhoff äußerte erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken angesichts der verstärkten Informationsweitergabe und Datenspeicherung zwischen Bund und Ländern. Auch dies wies de Maizière zurück.

Für den Einsatz von V-Leuten - also Mitgliedern einer Szene, die dem Verfassungsschutz regelmäßig Informationen liefern - werden im Gesetz Regeln festgeschrieben. Wer etwa zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, scheidet als Quelle für das Bundesamt aus. Es soll auch nicht so sein, dass V-Leute von ihrer Informantentätigkeit leben können. Geregelt wird auch, dass diese Quellen bei kleineren Delikten von einer Strafverfolgung verschont werden können - etwa beim Zeigen des Hitler-Grußes oder Verstößen gegen das Vermummungsverbot. De Maizière sagte, mit der Reform würden Lehren aus festgestellten Defiziten gezogen. Das System des Verfassungsschutzverbundes sei nicht gescheitert. Es habe nur Mängel. Linke und Grüne beklagten, der Bund ziehe die falschen Konsequenzen aus dem NSU-Skandal.

Deutlich kritisierte de Maizière die Entscheidung Thüringens, künftig ganz auf V-Leute zu verzichten. „In der Sache halte ich die Entscheidung für falsch“, sagte er. Auch aus anderen Bundesländern kam Kritik. Nachahmer des Thüringer Weges sind nicht in Sicht. In einer Umfrage der dpa in den Ländern bewertete die Mehrheit der Innenressorts die Zusammenarbeit mit V-Leuten als unverzichtbar.