Demonstranten stoßen vor dem armenischen Regierungsgebäude in Eriwan mit der Polizei zusammen. Foto: dpa/Vahram Baghdasaryan

Armenien meldet mehr als 30 Tote seit Beginn des Militäreinsatzes von Aserbaidschan in Berg-Karabach. Die Konfliktparteien einigen sich auf eine Waffenruhe. Außenministerin Baerbock fordert auch Russland dazu auf, sich für eine Lösung einzusetzen.

Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland und Aserbaidschan nach der Feuerpause in Berg-Karabach zu Anstrengungen für eine diplomatische Lösung des Konflikts aufgerufen. „Gerade Aserbaidschan und auch Russland müssen dafür sorgen, dass Menschen in ihrem eigenen Zuhause sicher sind“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung in New York. „Es kann nur eine diplomatische Lösung geben“ - dafür setzten sich die EU und die Bundesregierung auch am Rande der UN-Vollversammlung intensiv ein.

„Es wird nur zu einer friedlichen Lösung dieses Konfliktes kommen, wenn es dazu kommt, dass die militärischen Aktionen der Vergangenheit und auch jetzt die aktuellen unverzüglich eingestellt werden“, ergänzte Baerbock.

Offenbar mehr als 30 Tote seit Beginn der Militäroperation

Rund drei Jahre nach dem jüngsten Krieg zwischen den beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken hatte Aserbaidschan am Dienstag eine Militäroperation zur Eroberung der Region, die zwar auf aserbaidschanischem Boden liegt, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, gestartet. Armenischen Angaben zufolge starben bislang mehr als 30 Menschen, mehr als 200 weitere wurden verletzt.

In diesem Gebiet in Berg-Karabach sollen sich laut Aserbaidschan Stellungen armenischer Streitkräfte befinden. Das Foto stammt vom Verteidigungsministerium Aserbaidschans. Foto: dpa/Defense Ministry of Azerbaijan

Am Mittwoch vereinbarten beide Seiten eine Feuerpause – unter der Bedingung, dass die armenischen Kämpfer ihren Widerstand aufgeben. Wie die Behörden von Berg-Karabach in Stepanakert erklärten, verpflichteten sie sich zur Auflösung und Entwaffnung ihrer Streitkräfte. Armenische Kräfte müssten sich aus der Region zurückziehen, hieß es. Die aserbaidschanischen Behörden bestätigten die Einigung. Das Verteidigungsministerium in Baku erklärte überdies, dass „alle Waffen und schwere Rüstungsgüter“ unter der Aufsicht der vor Ort stationierten russischen Soldaten abgegeben werden müssten.

Gebrochener Widerstand der armenischen Separatisten

Die Behörden von Berg-Karabach erklärten zudem, Verhandlungen mit Baku über die Integration der mehrheitlich von Armeniern bewohnten Region in das verfeindete Nachbarland Aserbaidschan akzeptiert zu haben. Der gebrochene Widerstand der Separatisten stellt einen bedeutenden Sieg für den aserbaidschanischen Präsident Ilham Alijew und dessen Kampf um die Kontrolle über die umstrittenen Kaukasusregion dar.

Die Gespräche über die Integration Berg-Karabachs in den Rest Aserbaidschans sollen den beiden Parteien zufolge am Donnerstag in der aserbaidschanischen Stadt Jewlach beginnen.

Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan erklärte später in einer Fernsehansprache, dass Eriwan „an der Ausarbeitung des Textes der Waffenstillstandserklärung in Berg-Karabach“ nicht beteiligt gewesen sei. Armenien, das die Behörden in Berg-Karabach unterstützte, habe seit August 2021 keine militärischen Einheiten mehr in der Region stationiert, fügte er hinzu.

Russland „in engem Kontakt“

„Wir hoffen, dass die militärische Eskalation nicht fortgesetzt wird, denn unter den derzeitigen Bedingungen ist es sehr wichtig, die Stabilität zu gewährleisten und Kampfhandlungen zu beenden“, sagte Paschinjan weiter.

Auch Kreml-Chef Wladimir Putin brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass es eine „friedliche Regelung“ des Konflikts um Berg-Karabach geben werde. Im russischen Staatsfernsehen sagte er nach der Verkündung der Waffenruhe, Russland sei „in engem Kontakt mit den Konfliktparteien“. Die Behörden von Berg-Karabach hatten erklärt, die Einigung auf die Feuerpause sei unter Vermittlung der in der Region stationierten russischen Stabilisierungstruppen zustande gekommen.

Kinder befinden sich in einem Schutzraum während des Beschusses in der Regionalhauptstadt Stepanakert. Foto: AP/Siranush Sargsyan/dpa

Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier. Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave und lieferten sich deshalb bereits zwei Kriege, zuletzt im Jahr 2020. Damals hatte Russland nach sechswöchigen Kämpfen mit mehr als 6500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang.

Russland entsandte damals 2000 Soldaten zur Überwachung des Waffenstillstands. Trotz ihrer Präsenz gingen die Auseinandersetzungen weiter, beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich. Die Truppe scheint nun aber eine wesentliche Rolle in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand gehabt zu haben.

Spannungen nahmen zuletzt zu

In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen um das stark verminte Berg-Karabach wieder deutlich zugenommen. Am Dienstag hatte Aserbaidschan schließlich einen groß angelegten Militäreinsatz in der Kaukasusregion gestartet. Die Regionalhauptstadt Stepanakert sowie weitere Städte standen nach Angaben der Behörden von Berg-Karabach unter „intensivem Beschuss“.

Baku erklärte am Dienstag, bei „örtlich begrenzten Anti-Terror-Maßnahmen“ die Kontrolle über mehr als 60 Militärstellungen übernommen zu haben. Die russischen Soldaten und die Kräfte der Separatisten evakuierten tausende Zivilisten aus den Kampfgebieten.

Vertreter westlicher Staaten forderten ebenso wie Russland und die UNO ein sofortiges Ende der Kämpfe. Alijew warnte allerdings, der Militäreinsatz werde weitergehen, bis die Separatisten ihre Waffen niederlegten.