Wladimir Putin Foto: AFP/NATALIA KOLESNIKOVA

Die Gesellschaft in Russland ist tief gespalten, fügt sich aber den Manipulationen und Repressionen, meint die Moskau-Korrespondentin Inna Hartwich.

So sieht einer aus, der sich politisch unangreifbar fühlt. Wladimir Putin tritt kurz vor Mitternacht, nachdem die Wahllokale seit Stunden geschlossen sind, ans Rednerpult im Moskauer Gostiny Dwor und spricht plötzlich den Namen aus, den er Jahre bewusst nicht in den Mund genommen hatte, den Namen seines größten politischen Widersachers: Alexej Nawalny. Nun, da dieser tot ist, erlaubt sich Putin einen Kommentar. Es sei „immer ein trauriges Ereignis“, wenn einer aus dem Leben gehe. Aber so sei das Leben eben, meint der 71-Jährige, dessen menschenverachtendes System Nawalny das Leben nahm, und fährt in gewohntem Zynismus fort: „Wir hatten auch andere Fälle, bei denen Menschen in Gefängnissen aus dem Leben schieden. Hat es das etwa in den USA nicht gegeben? Hat es! Und nicht nur einmal.“