Marion Niebel Foto: Foto: promo

Die Stuttgarterin Verena Nübel ist ein Rohdiamant, der an der Musikhochschule geschliffen wird.

Stuttgart - Sie redet schnell, ist ungeduldig und will alles auf einmal: Die Stuttgarterin Verena Nübel, gerade mal 21 Jahre jung, ist ein Rohdiamant, der an der Musikhochschule Stuttgart zurzeit geschliffen wird. Ihr Fach, der Jazzgesang, wird von Kommilitonen, die zur Hybris neigen, nicht ganz für voll genommen.

Nur jemand, der ein Instrument spiele, sei ein vollwertiger Musiker, meinen die. Das ärgert Verena Nübel, die ansonsten gerne lacht, maßlos. Schwingt bei denen Neid mit, weil die Vokalisten auf der Bühne im Scheinwerferlicht stehen und die Begleitmusiker oft im Hintergrund? Der Gedanke besänftigt die junge Sängerin, die in vielen Formationen fleißig Bühnenerfahrung sammelt.

Im Landesjazzorchester unter Leitung von Bernd Konrad wirkte sie bei zwei CD-Produktionen mit ("No More Blues", "Brass Machine"), 2009 trat sie mit der Band von Tobias Becker beim Stuttgarter Festival Jazz Open auf, sie erhielt vom Lion's Club einen ersten Peis, sie leitet ihr eigenes Verena-Nübel-Quartett und ist die Frontfrau der Soul-Band der Musikhochschule Stuttgart, die vom Gitarristen Werner Acker sehr gut eingestellt wird. Mit bekannten Nummern aus den 60er und 70er Jahren hat die junge Band schon bei der Esslinger Stadtinszenierung "Stadt im Fluss" wie im Stuttgarter Jazzclub Bix für Begeisterung gesorgt. Man mag sich hier und da noch strafferes Spiel, schärfer geschliffene Bläsersätze und knackigere Refrains wünschen, die junge Sängerin mit ihrer astreinen Phrasierung und Intonation überzeugt restlos.

"Diskret und trotzdem tierisch"

Verena hat Soul in der Stimme, und sie klingt ziemlich sexy, wenn sie Aretha Franklin oder Otis Redding singt. Ihre Bühnenpräsenz spürt das Publikum, ohne dass sie sich aufdrängen müsste. Sie ist eine kollegiale Musikerin und mimt nicht den Star. Sie findet es "geil", vor einer Bigband zu singen und von deren Druckwellen durchflutet und angetrieben zu werden, genauso weiß sie die Intimität einer kleinen Combo zu schätzen.

Trotz aller Erfolge hat Verena Nübel, die mit dem jungen Jazztrompeter Christian Mück befreundet ist, noch einige Semester mit Harmonielehre, Gehörbildung, Klavierunterricht und Jazzgeschichte vor sich. Und drei, vier Stunden tägliches Üben auf ihrer Studentenbude. Anika Köse, Dozentin in Jazzgesang, legt vor allem Wert darauf, dass sich Verenas Improvisationskompetenz erweitert. Sie weiß, sie hat es mit einer begabten Studentin zu tun, aber eben auch mit einer, die alles auf einmal will und deshalb Mühe hat, sich auf langfristige Entwicklungsprozesse einzulassen. Nun lernt sie die Bedeutung des lateinischen Wortes "studere" kennen: sich bemühen.

Aufgewachsen ist Verena Nübel in Flözlingen bei Rottweil, wo ihre Mutter am Gymnasium Deutsch unterrichtet. Der Herr Papa ist Jurist, spielt jeden Abend Gitarre und singt mit der Familie Lieder, etwa von den Beatles. Jedem war die glockenklare Stimme und die Musikalität der kleinen Verena aufgefallen, die in ihrem Mädchenzimmer davon träumte, Musical-Star zu werden. Jazz wurde im Hause Nübel kaum gehört. Erst durch "Port Of Call", eine CD von Silje Neergaard, wurde das Interesse der damals 15-jährigen Gymnasiastin geweckt. Besonders gefiel ihr, "wie diskret und trotzdem tierisch" die Jazz-Band groovte - im Unterschied zum Hauruck-Rhythmus, den sie in der Disco nur mit Ohrstöpseln ertrug.

Sie ließ sich von Patti Austin faszinieren, fand den vehementen Bigband-Swing von Count Basie "ganz toll" und natürlich Billie Holiday und die große Ella Fitzgerald - "auch wenn heute nicht mehr mit so viel Vibrato gesungen wird", wie sie anmerkt. Von der Musikschule Rottweil ging es nach Trossingen an die Musikhochschule und von dort nach Stuttgart. Verena Nübels Perspektiven sind zweifellos vielversprechend. Man darf gespannt sein, was von ihr zu hören sein wird. Eine der besten Stimmen der Region hat sie jetzt schon.