Ganz zum Ende der Verhandlung hat sich der Angeklagte, hier mit seiner Verteidigerin Corinna Nagel, doch noch entschuldigt. Foto: Bäßler

Im Mordprozess Illerkirchberg sind am Landgericht Ulm die Plädoyers gesprochen worden. Tränen fließen, die Kammer zieht eine besondere Schwere der Schuld in Betracht.

Vier Prozesstage lang hatte der Angeklagte eisern geschwiegen. Das ihm zustehende letzte Wort vor dem Urteilsspruch hat der 27-Jährige aus Eritrea, der am 5. Dezember in Illerkirchberg die 14-jährige Ece erstochen und ihre 13-jährige Freundin gefährlich verletzt haben soll, dann doch noch für eine Entschuldigung genutzt. „Ich bereue sehr und möchte Entschuldigung sagen“, diktierte er mit dünner leiser Stimme, die kaum die ersten Besucherreihen des Sitzungssaals erreichte, seinem Übersetzer.

Eine Besänftigung für die Familien der Mädchen dürfte das kaum gewesen sein. Denn zu diesem rasenden Messerangriff insbesondere auf die 14-Jährige, der im Prozess wiederholt als „Overkill“ oder auch „Übertötung“ bezeichnet wurde, hatte der Mann ja wieder nichts gesagt. Die Staatsanwältin Nadine Schmelzer wich in ihrem Plädoyer denn auch kaum von ihrer zu Prozessbeginn formulierten Anklageschrift ab. Wegen Mordes und versuchten Mordes beantragte sie die Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe, verbunden mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Bei einer solchen Strafverschärfung werden Täter nicht automatisch, wie sonst üblich, nach 15 Jahren Haft freigelassen. Die beiden Mädchen seien sehr jung gewesen, der Angeklagte habe im Prozess „keinerlei Reue gezeigt“.

„Ein kaltblütiger Mörder“

Diesem Antrag schloss sich Süleyman Pozan an, Anwalt der Familie von Ece und Nebenkläger. Mit stockenden Sätzen, sich dabei die Augen mit einem Papiertaschentuch tupfend, sprach er vom Schmerz der Familie, resümierte dann sein Plädoyer mit einem scharfen Satz: „Aus meiner Sicht ist der Angeklagte ein kaltblütiger Mörder.“

Die Eltern der überlebenden 13-Jährigen hatten noch einmal selber in der Bankreihe der Nebenkläger Platz genommen, hörten wieder stumm und gefasst zu. Sie ließen ihre Anwältin sprechen, die sich ebenfalls der Strafforderung der Staatsanwaltschaft anschloss. Sie fügte aber auch hinzu, wie schwer es für die Familie sei, die „die Sinnlosigkeit“ der Tat aushalten müsse und „die fehlende Empathie“ des Täters, der sich in Polizeivernehmungen und gegenüber dem Gutachter stets nur selber bedauert habe. Die Anwältin verlas zudem ein Schreiben, das die 13-Jährige extra für dieses Plädoyer mit auf den Weg gegeben hatte. „Wenn man anderen Menschen so weh tut, sollte man die schlimmste Strafe bekommen“, war zu hören, und über Ece: „Ich bin so dankbar, dass sie meine beste Freundin war.“

Kommende Woche fällt das Urteil

Der Richter Wolfgang Tresenreiter erteilte seinerseits den Rechtshinweis , dass im Hinblick auf das Urteil eine besondere Schwere der Schuld geprüft werde. Der allseits geforderten Strafverschärfung trat jedoch Corinna Nagel, die Verteidigerin des 27-Jährigen, entgegen. Sie beantragte, lediglich eine lebenslange Haftstrafe zu verhängen, denn: „In diesem Urteil ist der Tod eines Menschen bereits mit drin.“ Sich durch Schweigen zu verteidigen, sei das Recht jedes Angeklagten, und ob die angeprangerte Reuelosigkeit nicht eigentlich ein Selbstschutzmechanismus ihres Mandanten sei, könne niemand sagen. Die Tat mache auch sie „sprachlos“, so Nagel, doch sie sei am Ende einer „Spirale aus Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Wut“ geschehen. „Mit Logik hat das alles nichts zu tun.“ Das Urteil wird am kommenden Dienstag gefällt.