Die Modelleisenbahnanlage in Winnenden Foto: StN

Vier Kilometer Gleise und alte Modellzüge: Eine Anlage in Winnenden begeistert alle.

Winnenden - Ein lautes Hupen dröhnt durch den Raum. Die typischen Dampflockgeräusche folgen. Überall auf dem über 600 Meter langen Rundkurs zwischen den sieben Bahnhöfe tuckern Züge. Als einer entgleist, leuchtet eine rote Lampe auf dem Bildschirm von Roland Haag auf. Er beugt sich über die Landschaft. Als Haag erkennt, dass er den Zug nicht erreichen kann, nimmt er eine Stange und schubst den Zug gekonnt wieder in die Bahn. Die Warnmeldung auf dem Bildschirm verschwindet. Langsam nehmen die Waggons wieder Fahrt auf.

"Für mich bedeutet die Modelleisenbahn ein absolutes Entspannungsvergnügen", sagt Haag. Er ist der Vorsitzende der privaten Modellbahnervereinigung Winnenden (PMW) und stolz auf die Anlage, die mehr als 400 Quadratmeter umfasst. Seit 2003 bauen die Vereinsmitglieder an der Bahn. Damals mussten sie aus den Räumen der ehemaligen Ziegelei ausziehen. Und seitem arbeiten die sechs Mitglieder an der großen Bahn. Entstanden ist die Idee des Vereins im Jahr 1966. Drei Freunde waren es, die sich immer zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag in einer Schreinerei trafen und dort ihre Modelleisenbahn aufgebaut hatten. "Schon damals kamen Besucher, um sich die Bahn anzuschauen", erzählt Haag.

Heute hat die Anlage viele Kleinigkeiten, die das Eisenbahnerherz höher schlagen lassen. "Wir haben eine 640 Meter lange Hauptstrecke, die alle Bahnhöfe miteinander verbindet", sagt Haag. Eine Eisenbahn, die alle Bahnhöfe anfährt, ist eine halbe Stunde unterwegs. 50 Züge können gleichzeitig auf dem Kurs unterwegs sein, ohne sich in die Quere zu kommen. Insgesamt haben die Modellbahnfreunde mehr als vier Kilometer Schienen verlegt. "Aber wir sind noch lange nicht fertig", sagt Haag. Viele weitere Ideen spuken den sechs Mitgliedern noch im Kopf herum.

Kinder freuen sich, wenn die bahn durch die Toiletten fährt

Besonders ist auch die Elektronik, die im Hintergrund die Anlage steuert. "Generell fahren wir nicht digital", sagt der Vorsitzende, "die Steuerung ist zwar computerunterstützt, die Lokomotiven sind jedoch analog gesteuert." Auf der Hauptstrecke fährt der Zug vollkommen automatisch. Das wurde durch ein selbst entwickeltes Blocksystem möglich, das automatisch erkennen kann, wenn ein Zug entgleist ist. Im Bereich der Bahnhöfe kann dann jeder Baumeister die Züge selbst steuern. Es wird also analog gefahren und von Hand gesteuert.

Auch Kinder kommen bei der Anlage in Winnenden nicht zu kurz. "Wir haben überall Scheiben eingebaut", sagt Roland Haag, "und wir haben auch Schienen durch die Toiletten gelegt, das war die Forderung von den Besuchern, weil wir das schon in unserer alten Anlage so hatten." Außerdem fährt ein Zug mit einer Kamera durch den Raum, so dass über einen Fernseher immer nachvollzogen werden kann, wo er sich gerade befindet. "Der fährt allerdings nicht durch die Toiletten", sagt Haag und lacht dabei.

Insgesamt haben die Modellbahner sechs Jahre an der Anlage gearbeitet. "Erst in den vergangenen neun Monaten konnten wir damit beginnen, grüne Flächen und Städte zu schaffen", sagt Roland Haag. Stolz ist der Vorsitzende auch darauf, dass in der Winnender Anlage keine Bahnhöfe nachgebaut wurden. "Da legt man sich zu viele Beschränkungen auf", sagt er, "die Fantasie ist wichtiger, sonst macht das keinen Spaß."

Weinberge werden im Original abgemessen und dann in Modelle verwandelt

Die Faszination der Modelleisenbahn liegt für Haag darin, dass man sehr viele handwerkliche Fähigkeiten benötigt. "Ich beobachte meine Umwelt mittlerweile mit ganz anderen Augen", verrät er. Zum Beispiel wollte er einmal einen Weinberg für seine Anlage bauen. "Also habe ich mir einen Zollstock geschnappt und die Maße genau ausgemessen", sagt er. Denn auch der Weinberg müsse dem Maßstab 1:87 entsprechen. Zwar habe ihn der Inhaber sehr verdutzt angeschaut und gefragt, was er da überhaupt mache. "Als ich ihm dann erklärt habe, dass ich die Maße für meine Modelleisenbahn benötige, hat er nur den Kopf geschüttelt und gelacht", erinnert sich Haag.

So werden auch die Brückenbauwerke selbst gebaut. "Denn so große Bausätze, wie wir sie hier brauchen, gibt es gar nicht", sagt er. Man müsse sich beispielsweise in Geografie und Architektur auskennen. "Allerdings gibt es dabei keinen schnellen Lohn", sagt Haag, "alles ist sehr langwierig und dauert, bis man wirklich etwas sehen kann."

Mittlerweile ist der Zug im nächsten Bahnhof angekommen, und Roland Haag kümmert sich schon um den nächsten. Es ist das Prunkstück der Anlage: ein Güterzug mit 35 Wagen.