Caren Miosga im Gespräch mit Thomas de Maizière (links) und Bodo Ramelow. Foto: NDR/Thomas Ernst/ThomasErnst

Bei Caren Miosga ist Bodo Ramelow zu Gast. Der einzige Ministerpräsident der Linken sowie ein CDU-Politiker üben in der ARD Sachkritik an der Moderatorin.

Eigentlich ein interessantes Thema mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland: Wird der Osten unregierbar, wo die AFD in den Umfragen beispielsweise in Thüringen mit 36 Prozent und dem rechtsextremen Kandidaten Björn Höcke vorne liegt? Wo die CDU mit 20 Prozent und die noch den Ministerpräsidenten stellende Linkspartei mit 17 Prozent folgen und SPD sowie Grüne im einstelligen Bereich abgeschlagen sind?

Der von Caren Miosga geladene Hauptgast am Sonntagabend war Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der persönliche Einblick in seine Legasthenie, seinen Jähzorn, das Debakel der Linken, seine Empörung über Putin und seinen befristeten Verzicht auf zu viele Thüringer Bratwürste darlegte. Haften blieben aber zwei oder drei Patzer, die sich Moderatorin Miosga und ihr Team in der Sendung leisteten. Zum einen korrigierte Ramelow – der seit 2014 mit einer kurzen Unterbrechung regiert – einen eingespielten Sachbeitrag über den Landtag. Der war im Februar 2020 erschüttert worden durch die spektakuläre Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit AFD-Stimmen zum Ministerpräsidenten, ein Amt, von dem er 24 Stunden später wieder zurück trat, aber Ramelow ist heute noch empört darüber, dass ihn die FDP noch am selben Tag zur besenreinen Übergabe seines Büros bis 17 Uhr aufgefordert hatte: „Eine Ungeheuerlichkeit, das hat mich persönlich getroffen.“

Er klebe nicht am Amt, sagt Ramelow

Im kritisierten TV-Beitrag aber ging es um das spätere Abstimmungsverhalten von zwei Linken-Abgeordneten im Sommer 2021 über eine versprochene Auflösung des Landtags: Das sei falsch dargestellt worden, so Ramelow. Dass er selbst an seinem Amt klebe und die Minderheitsregierung fortführe, das wird ihm oft zum Vorwurf gemacht. Er selbst bestreitet das und deshalb ist ihm bei dem Thema Korrektheit wichtig. Noch schwerer aber wiegt wohl ein zweiter Darstellungsfehler im gleichen Beitrag, der einem Sender im öffentlich-rechtlichen Auftrag wohl nicht passieren sollte.

„Die Regierung entscheidet sich , den Landtag nicht aufzulösen. Bodo Ramelow bleibt Ministerpräsident. Die versprochenen Neuwahlen bleiben aus“, heißt es im eingespielten TV-Hintergrund. Ramelow sagt, dieser zweite Teil des Trailers sei nicht richtig: Das habe die Regierung gar nicht beschlossen, das stehe ihr auch gar nicht zu, denn laut Verfassung kann nur der Landtag mit einer Zweidrittelmehrheit für seine eigene Auflösung stimmen. Und das hatten Rot-Rot-Grün sowie CDU einstmals versprochen, aber aus verschiedenen Gründen – einmal war es die Corona-Pandemie – nicht gehalten.

PR-Beitrag zur besten Sendezeit

Miosga nahm zum Hauptvorwurf gar nicht Stellung, sondern meinte nur sinngemäß, sie wolle nicht über Thüringer Klein-Klein streiten. Aber nun zum nächsten Patzer: Landtagswahlen finden in Thüringen also am 1. September 2024 statt, und zum einen wird das Abschneiden der AfD spannend, aber auch das der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die sowohl der Linken als auch der AFD Stimmen wegnehme könnte. Warum sie nach einer 31-jährigen Mitgliedschaft bei der Linken zur Partei von Wagenknecht wechselte, das schilderte die Bürgermeisterin von Eisenach, Katja Wolf, in einem gut dreiminütigen Beitrag, der die Bürgermeisterin im Rathaus, der Altstadt und im Automuseum zeigte und doch arg an einen PR-Streifen erinnerte.

Die Linke habe es nicht geschafft, „die Partei der kleinen Leute zu sein“, begründete Wolf ihren Wechsel. Es gebe jetzt eine Sehnsucht nach einer „pragmatischen Politik“. Der ehemalige Bundesinnnen- und Verteidigungsminister Thomas De Maizière (CDU) kritisierte diesen Beitrag in Miosgas Studio als einen „tollen Werbeblock“ für das BSW: „Und so etwas zur besten Sendezeit, für so etwas müssten andere viel Geld bezahlen.“

Warnung vor Höcke

Miosga ignorierte den Vorwurf, stellte de Maizière – der einst den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU sowohl mit den Linken als auch der AFD formuliert hatte – dann aber die wichtigste Frage des Abends: Werde die CDU im Thüringer Landtag gemeinsam mit der Linkspartei stimmen, falls es darum geht, einen möglichen Ministerpräsidenten Höcke zu verhindern? Mit Ratschlägen „von außen“ nach Thüringen habe man schlechte Erfahrungen gemacht, antwortete de Maizière, „und ich will das auch nicht tun“. Indirekt aber ließ de Maizière eine Präferenz für eine Links-Tolerierung erkennen.

Die AfD sei eine „rechtsextrem geführte und gesteuerte Partei“, die Abgrenzung der CDU zu ihr sei „glasklar“. Im übrigen könne man Ramelow und Höcke nicht auf eine Stufe stellen, man könne ja auch nicht „Eisbein“ und „Kohlrouladen“ vergleichen. Ramelow hingegen, der einzige Regierungschef der Linkspartei in Deutschland, plädierte dafür, sich nicht ständig auf eine mögliche Allianz von CDU und Linken zu fokussieren. „Deutschland gruselt sich am liebsten über Thüringen“, sagte er, dabei habe man doch längst gemeinsam mit der CDU einen Haushalt in Erfurt beschlossen. Besser wäre es für die Medien, sich mal inhaltlich mit der Gefährdung der Demokratie durch Höcke zu befassen: „Den muss man wörtlich nehmen. Guckt Euch das mal an, was der geschrieben hat!“


Anti-Amerikanismus im Osten

Für seine Ex-Parteikollegin Sahra Wagenknecht hatte Ramelow nur distanzierende Worte übrig. Es sei schon „irritierend“ , dass sich da eine Programmpartei „zugespitzt auf eine Person“ gegründet habe. Vor allem im Verhältnis zu Putins Russland unterscheidet sich Ramelow stark von Wagenknecht, zum Teil aber auch von seiner eigenen Partei. Ein Staat wie die Ukraine, der überfallen worden sei, müsse sich verteidigen dürfen. Besonders bewegt habe ihn der Tod des ehemaligen Sowjetsoldaten und Buchenwald-Überlebenden Borys Romatschenko bei einem Luftangriff auf Charkiw im März 2022. Der sei einer der ersten Toten des Militärstaates Russland gewesen. Man müsse mal daran erinnern, dass es einst nicht nur russische, sondern auch ukrainische Soldaten in der Sowjetarmee gewesen seien, die Buchenwald befreit hätten.

Er verstehe nicht, so Ramelow, warum viele Ostdeutsche den „Chauvinismus, Imperialismus und Kolonialismus“ von Wladimir Putin nicht sehen würden. Eine pro-russische Einstellung führten er sowie die in Sachsen-Anhalt geborene Soziologin Katharina Warda auf einen „tief sitzenden anti-amerikanischen Konsens“ in Teilen der ostdeutschen Gesellschaft zurück. Warda erklärte, dass die internationale Rechte es im übrigen geschafft habe, die „Idee vom Osten“ als Gegenstück zum demokratischen, diversen, kosmopolitischen und pluralistischen Weltbild des Westens zu entwickeln und zu verankern. Diese Ost-Idee sei autoritär geprägt, sie komme ohne Vielfalt, ohne Migration und ohne Zivilgesellschaft aus. „Dieser Kontext fällt uns jetzt auf die Füße.“

Aus dem Kopf ein 30-Seiten-Diktat

Erfolglos ist aber auch der einstige Wessi und Linkenpolitiker Ramelow im Osten gewesen, wie seine sinkenden Umfragewerte zeigen. Er selbst führt das Tief seiner Regierungsbewertung auf seine ungeliebten Corona-Beschlüsse und das Vorhandensein einer „Stapelkrise“ zurück und natürlich auf die Zerrissenheit der Linken. Viele Antworten –etwa auf eine Erhöhung der Mindestrente oder des Mindestlohns - könne das Bundesland ja gar nicht geben.

Persönlich interessant waren Bemerkungen, wonach Ramelow seine Rechtschreibschwäche (Legasthenie) eigentlich sein Leben lang nicht in den Griff gekriegt hat. Sein Englisch sei deshalb sehr mäßig. „Ich muss alles im Kopf haben. Ich könnte Ihnen jetzt aber 30 Seiten diktieren.“ Dass er früher in der Schule als „Loser“ dargestellt worden sei, bis man ihn spät als Legastheniker einstufte, habe in ihm aber vielleicht einen „Drang zur Dominanz“ geweckt. Gegen den Trend, dass ihm gelegentlich der Kragen platzt, habe er eine Strategie entwickelt. Falls sein Kopf rot anlaufe, müsse ihm ein Mitarbeiter die Hand auf die Schulter legen: Er finde dann schon einen „Ausgang“ aus der Spirale, die Coolness, um nicht andere zu verletzen.

Zur Thüringer Bratwurst ist der Ministerpräsident derzeit auf Distanz. Er fastet und will so viele Kilo verlieren, wie seine Partei an Prozentpunkten aufholen muss, um wieder an die Spitze zu kommen. „Acht Kilo habe ich schon runter.“ Er sei munter dabei, sein Ziel zu erreichen.