Immer mehr Migranten machen sich auf den Weg nach Europa. Foto: AFP/SAMEER AL-DOUMY

Noch vor Weihnachten will die Europäische Union die Regeln für ein neues Asylsystem verabschieden. Der Erfolg ist ungewiss, denn die einzelnen Positionen liegen weit auseinander.

Die EU blickt im Moment gespannt nach Großbritannien. Der Brexit steht aber ausnahmsweise nicht im Mittelpunkt des Interesses. Dieses Mal geht es um die Asylpolitik, genauer gesagt: die sogenannte Ruanda-Lösung. London will in Zukunft ankommende Migranten in das ostafrikanische Land abschieben, um dort die Asylverfahren abzuarbeiten. Der Supreme Court als höchstes britisches Gericht hat das mit Hinweis auf die rechtsstaatliche Defizite in Ruanda zwar bereits verboten, aber die konservative Regierung will den Deal dennoch durchziehen.

Die überaus umstrittene „Ruanda-Lösung“

In der EU ist die Aufregung nicht nur deshalb groß, weil die Gefahr besteht, dass die Briten sogar die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen könnten, um nicht auch noch eine juristische Niederlage vor dem Gericht in Straßburg zu kassieren. Sehr genau beobachtet wird das Londoner Vorgehen vor allem, weil die Europäische Union selbst noch vor Weihnachten eine Reform des eigenen Asylrechts auf den Weg bringen will. Diskutiert wird dabei auch eine Art Ruanda-Lösung, die von einigen EU-Mitgliedsländern ins Gespräch gebracht wurde, aber wegen der großen Widerstände – unter anderem aus Deutschland - kaum Aussicht auf Umsetzung hat.

Seit vielen Jahren wird an der Reform des EU-Asylrechts gearbeitet und inzwischen ist der Erfolgsdruck enorm. „Ein Scheitern können wir uns nicht leisten“, heißt es aus Verhandlungskreisen, „es wäre Wasser auf die Mühlen der Feinde Europas.“ Die Erfolge extrem-rechter Parteien wie in Italien, Skandinavien oder zuletzt in den Niederlanden bereiten in Brüssel große Sorge. Die Hoffnung ist, mit einer Einigung auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (Geas) könnte ein befürchteter Rechtsruck bei den Europawahlen im Juni verhindert werden.

Marathon-Sitzung ohne Erfolgsgarantie

Doch die Zeit drängt, weshalb die Verhandlungen in diesen Tagen auf Hochtouren laufen. Zu Beginn der Woche haben sich die Innenminister der Mitgliedstaaten in Brüssel getroffen, danach haben die EU-Botschafter in ersten Gesprächen die Positionen abgestimmt und am Donnerstag steht ein Jumbo-Trilog zum Asyl- und Migrationspakt auf dem Programm. Zusammensitzen werden drei Parteien: Vertreter des Europaparlaments, der einzelnen EU-Mitgliedstaaten und der Kommission. Beginnen werden die Gespräche über die zentralen Gesetzestexte frühmorgens, mit einem Ende wird nicht vor Mitternacht gerechnet.

Beschworen wird von allen Seiten immer wieder die Solidarität zwischen den EU-Staaten. Doch die Definition von Solidarität unterscheidet sich von Regierung zu Regierung. So weigern sich viele Staaten, den Ländern an den Außengrenzen Asylbewerber abzunehmen – was etwa vom EU-Parlament ursprünglich gefordert wurde. Inzwischen wird ein finanzieller Ausgleichsmechanismus diskutiert. Wer seine Quote nicht erfüllt, muss pro Person, die nicht übernommen wird, dem zu entlastenden Land 20 000 Euro zahlen. Aber auch das wird etwa von Ungarn vehement abgelehnt.

Asylverfahren sollen schneller abgearbeitet werden

Eine gemeinsame Position kann wohl bei der Festlegung auf verpflichtende Grenzverfahren gefunden werden. Geplant ist es, die Asylverfahren für Menschen mit eher geringen Ansprüchen im Schnellverfahren zu prüfen. Dabei dürfen sie unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Dadurch ist es für sie im Grunde unmöglich, sich in einen anderen Staat abzusetzen oder mehrere Asylanträge zu stellen, was bisher eher die Regel war. Außerdem können sie leichter abgeschoben werden, weil sie nicht als eingereist gelten.

Vor allem im Parlament werden immer wieder Bedenken gegen solche Grenzverfahren geäußert. Die sozialdemokratische Europaabgeordnete Birgit Sippel betonte, dass die vergangenen Jahre eindringlich gezeigt hätten, dass Asylzentren an den Außengrenzen meist nicht den EU-Standards entsprächen. Gerungen wird auch darüber, ob Familien mit minderjährigen Kindern diese Prozedur durchlaufen müssen. Die EU-Staaten wollten anfangs nur Ausnahmen für Kinder unter zwölf Jahren, konnten ihre harte Position aber gegenüber dem Parlament nicht durchsetzen.

Wenig Hoffnung besteht allerdings, dass nach der Marathonsitzung am Donnerstag tatsächlich die Einigung auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (Geas) verkündet wird. Sicherheitshalber wurde bereits für den 18. Dezember der Termin zum Nacharbeiten angesetzt.