Foto: Peter Petsch

Der Haus- und Grundbesitzerverein und OB Fritz Kuhn (Grüne) bewerten die Zahl von angeblich 8000 fehlenden Mietwohnungen unterschiedlich. Einig sind sie sich darin, dass die SWSG mehr Sozialwohnungen bauen muss.

Stuttgart - In der Landeshauptstadt fehlen für einen ausgeglichenen Markt angeblich 8000 Mietwohnungen. Diese Zahl hat das Pestel-Institut aus Hannover Ende 2012 im Auftrag verschiedener Bau-Bundesverbände, der Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt und des Deutschen Mieterbundes errechnet. OB Fritz Kuhn (Grüne) erklärte vergangene Woche bei einer Podiumsveranstaltung, er halte diese Zahl für „vertretbar“.

Der Haus- und Grundbesitzerverein hat der Hochrechnung am Montag bei einer Pressekonferenz vehement widersprochen. „Das ist Stimmungsmache, wir sind im Vorwahlkampf“, sagte Geschäftsführer Ulrich Wecker. „Es ist dringend an der Zeit, sich wieder an den Fakten zu orientieren, statt mit den Ängsten der Menschen zu spielen“, riet Vereinsvorsitzender Klaus Lang zum Blick in die stadteigene Statistik. Diese weise, verglichen mit der Zahl der Haushalte, 2010 in der Stadt einen Überhang von 2500 Wohnungen aus. 2011 gebe es einen rechnerischen Überschuss von noch 230 Wohnungen. Vergangenes Jahr stieg die Einwohnerzahl per saldo um 5800, das werde nach Einschätzung der Statistiker aber „eine vorübergehende Erscheinung“ sein, sagte Lang. Der doppelte Abiturjahrgang sei einmalig, die Zuwanderungen aus Südeuropa müssten nicht über Jahre anhalten, wenn die Wirtschaft dort wieder Tritt fasse.

1400 bis 1500 neue Wohnungen pro Jahr

Aus Sicht des Vereins, dessen 19 000 Mitglieder laut Wecker „in der Stadt 70 000 Wohnungen und damit fast ein Viertel des Bestandes bewirtschaften“, werde der bisherige jährliche Zuwachs ausreichen. Das sind rund 1400 bis 1500 neue Wohnungen pro Jahr. „Unsere Mitglieder sind nicht Teil des Problems, sondern haben wesentlichen Anteil an seiner Lösung“, so Wecker.

Auch in der Stadtverwaltung selbst wird die 8000er Zahl kritisch gesehen. Man sei nicht glücklich, heißt es im Statistikamt, dass Kuhn sie übernommen habe. „Den Wohnungsmarkt als Mangel zu beschreiben ist richtig, es herrscht aber keine Not“, sagt Inge Heilweck-Backes, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Befragungen im Statistikamt, auf Anfrage.

Alle Haushalte seien mit Wohnraum versorgt. Anfang der 90er Jahre sei das wegen der Flüchtlingswelle aus Jugoslawien anders gewesen. Damals habe es deutlich mehr Haushalte als Wohnungen gegeben. „Ich bin überzeugt davon, dass man nicht berechnen kann, wie viele Wohnungen tatsächlich fehlen“, sagte Heilweck-Backes.

Nur noch 7800 Wohnungen haben eine Mietpreisbindung

Während die Stadt auf dem freien Markt aus Sicht des Haus- und Grundbesitzervereins nicht regulierend eingreifen sollte, könnte sie beim subventionierten Mietwohnungsbau stärker tätig werden. Auch hier seien die „interessengeleiteten Zahlen“ des Pestel-Instituts nicht nachvollziehbar. Dieses hat für Stuttgart einen Bedarf von rund 47 000 staatlich geförderten Wohnungen ermittelt. Bei einem Bestand von 299 528 im Jahr 2011 (ohne Heime) wäre dies jede sechste Wohnung. Für Wecker und Lang ein unvorstellbarer Wert. Die Zahl der Haushalte, die mit ihrem Einkommen die Voraussetzungen für die Zuweisung von gefördertem Wohnraum (Sozialwohnung) erfüllten, lag 2011 bei 29 055, das waren sieben Prozent weniger als 2010. In der Stadt gab es laut Heilweck-Backes 2011 für 22 917 Wohnungen Belegungsrechte. Bei 12 949 mit Mietpreisbindung kann die Stadtverwaltung selbst den Mieter bestimmen. Die Zahl habe sich gegenüber dem Jahr 2000 um rund 700 reduziert, so Heilweck-Backes.

Sollte die Zahl der Sozialwohnungen deutlich zurückgehen, weil die Mietpreisbindung ausläuft, dann sieht der Verein Haus und Grund die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft SWSG in der Pflicht. Von deren 18 000 Wohnungen hätten nur noch 7800 eine Mietpreisbindung. „Die Lokalpolitik kann bei der SWSG umsteuern“, sagt der frühere Finanzbürgermeister Klaus Lang. Immerhin hier ist sich der Verein mit Kuhn einig. Der OB hat angedeutet, dass er die SWSG in die Pflicht nehmen will.