Egal, wie nass der Sommer ist: Die Deutschen trinken immer mehr Mineralwasser. Foto: dpa

Absatz in Deutschland steigt weiter – Rechtsstreit um Inhaltsstoffe von Mineralwässern.

Stuttgart - Mit dem Mineralwasser ist es ähnlich wie mit dem Brot: Ausländer beneiden die Deutschen um die Vielfalt an Abfüllern, Wässern und Sorten. Gut 200 Betriebe haben hier zu Lande im vergangenen Jahr rund 500 verschiedene Wässer aus tiefen Vorkommen hochgepumpt und abgefüllt, fast 40 der Unternehmen haben ihren Sitz in Baden-Württemberg.

Ihr stetes Wachstum verdanken die Unternehmen dem Aufgreifen von Trends, angefangen von Gesundheit und Sport, exotischen Schorlen, kohlensäurearmen oder niedrig mineralisierten Wässern. Wer sich hier nichts Neues einfallen lässt, muss dies bitter büßen, wie das Beispiel Überkinger zeigt: Jahrelang gingen die Absätze des Traditionsunternehmens zurück. Es seien lange Zeit Markttrends verschlafen wurden, heißt es, etwa der Gesundheitsboom oder kalorienarme Mischgetränke. Vor anderthalb Jahren wurde das Unternehmen verkauft. Ende Juli 2012 mussten Stellen gestrichen werden, inzwischen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Während mittelständische Unternehmen mit Trendprodukten wachsen – aktuell sind es die Near-Water, das sind leicht aromatisierte Wässer –, punkten die Branchenriesen über den Preis. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen (VDM) haben im vergangenen Jahr bundesweit 201 Betriebe Mineralwasser abgefüllt. Sie setzten gut zehn Milliarden Liter Mineral- und Heilwasser ab und gut drei Milliarden Euro um. Die Hälfte wird bereits über die Discounter verkauft, die ihre Produkte obendrein ausschließlich in leichten PET-Flaschen anbieten.

„Der Preis ist das größte Handycap für die kleineren und mittelständischen Betriebe“

An der Spitze der Branche steht denn auch die Mitteldeutsche Erfrischungsgetränke (MEG) in Weißenfels, die Lidl nach der Wende übernommen hat. Mit knapp 399 Millionen Euro hat MEG 2011i dreimal so viel umgesetzt wie der größte Abfüller im Südwesten, die Mineralbrunnen Überkingen-Teinach. Als zweitgrößte Mineralbrunnen folgen die Aldi-Lieferanten Hansa-Heemann und Altmühltaler der Lidl-Tochter. „Der Preis ist das größte Handycap für die kleineren und mittelständischen Betriebe“, sagt ein Marktbeobachter.

Über kurz oder lang könnte Wohl und wehe der Branche aber von einem weiteren Kriterium abhängen, das bis vor Kurzem niemand auf der Rechnung hatte. Es geht um den Reinheitsbegriff. Immer häufiger werden nämlich Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln in Mineralwässern entdeckt, sogenannte Metabolite. Die sind in dieser Form zwar gesundheitlich völlig unbedenklich, halten aber nach Ansicht von Kritikern einem strengen Reinheitsgebot nicht Stand. Vor einem Jahr wurde „Öko-Test“ in 30 Prozent von 130 untersuchten Mineralwässern fündig. Eine Analyse im Auftrag von „ZDF-Zoom“ erbrachte dieses Jahr Verunreinigungen in fast allen Proben.

Nach dem Nachweis von Metaboliten haben Lebensmittelkontrolleure sechs Betrieben im Südwesten verboten, ihr Wasser aus einigen Brunnen als natürliches Mineralwasser anzubieten. „Von ursprünglicher Reinheit kann dann keine Rede mehr sein, wenn Hinterlassenschaften der Menschen ins Mineralwasser gelangen“, erklärt Jürgen Maier, Referatsleiter für Verbraucherschutz und Lebensmittelkontrolle im Ministerium für den Ländlichen Raum (MLR). Unterstützt wird er höchster Stelle: Natürliches Mineralwasser muss ‚vor jedem Verunreinigungsrisiko geschützt’ sein, zitiert der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) das Gesetz „Wenn sich nun beispielsweise Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln im Mineralwasser befinden, werden die Verbraucher in ihrem Vertrauen auf die Einhaltung dieser strengen Vorgaben getäuscht. Dies können wir nicht zulassen.“

VDM: Bei Metaboliten handelt es sich um völlig unbedenkliche Abbauprodukte von Pflanzenschutzmittel

Selbst das CSU-geführte Bundesministerium für Verbraucherschutz arbeitet an einer Verordnung, in der auch Orientierungswerte für anthropogene (vom Menschen erzeugte) Verunreinigungen aufgenommen sind.

Nach Sichtweise des VDM handelt es sich bei Metaboliten um völlig unbedenkliche Abbauprodukte von Pflanzenschutzmittel. Der Verband stehe im Kontakt zu Behörden und setze sich derzeit für eine klare Regelung und strenge Orientierungswerte ein. „Man muss jedoch dabei beachten, dass Mineralwasser Teil des natürlichen Wasserkreislaufs ist. Einen Null-Standard kann es daher nicht geben.“ Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den Brunnen recht gegeben, allerdings mit einer formalen Begründung: die EU habe für diese Stoffe keine Analysewerte festgelegt. Nun liegt die Angelegenheit zur Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim .

Bei sechs Betrieben im Südwesten ist das Thema Metaboliten noch keine große Sache. Sollten die Stoffe aber künftig auf die Etiketten von Mineralwasserflaschen, könnte dies gesundheitsbewusste Konsumenten abschrecken und dem Image der betroffenen Betriebes schaden, befürchten Abfüller. Die Alternative: Das Unternehmen verzichtet auf das Prädikat und bezeichnet sein Produkt als Tafelwasser. die müssen nicht naturrein sein. Oder sie assoziieren Reinheit mit einem anderen Begriff. Wie Nestlé-Waters, Nummer sechs bei den größten deutschen Mineralbrunnen. Sie bietet ihr Aquarell erfolgreich als Quellwasser an, obwohl es die Mineralwasser-Vorgaben einhält.

Gewinner eines strengeren Reinheitsgebots bei Mineralwasser könnten Betriebe wie Lammsbräu im oberpfälzischen Neumarkt sein, bekannt durch sein Öko-Bier. Weil Mineralwasser in der Bio-Verordnung nicht geregelt ist, kämpft das Unternehmen für ökologische und soziale Kriterien. Es sieht Mineralbrunnen und Trinkwasservorräte durch Überdüngung und Pestizideinsätze auf den Feldern gefährdet und erwartet von Unternehmen die Förderung vom Wasserschutzes durch ökologischen Landbau, ein Umweltmanagementsystem Die Werte seines Wassers entsprechen in etwa denen für Säuglingsnahrung. Um die Anerkennung als Bio-Mineralwasser läuft eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der bayerischen Wettbewerbszentrale. Der Fall liegt inzwischen beim Bundesgerichtshof. Den Bekanntheitsgrad von Lammsbräu zumindest hat er schon mal gesteigert.