Richard Reschl (links) präsentierte dem Meßstetter Gemeinderat gestern die "Agenda 2030", den Ertrag eines anderhalbjährigen kommunalen Selbstfindungsprozesses. Bürgermeister Frank Schroft (Zweiter von links) hört aufmerksam zu. Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder-Bote

"Agenda 2030": Meßstetter Gemeinderat beschließt einstimmig das neue Stadtentwicklungskonzept

Der Meßstetter Gemeinderat hat am Dienstagabend die "Agenda Meßstetten 2030" verabschiedet, die der Stadt im kommenden Jahrzehnt als kommunalpolitische "Leitplanke" – so Bürgermeister Frank Schroft – dienen soll. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst.

Meßstetten. Anderthalb Jahre haben die Meßstetter für die Erarbeitung ihres Stadtentwicklungskonzepts gebraucht, und Richard Reschl, dessen Stuttgarter Fachbüro sie dabei begleitet hatte, legte gestern Abend großen Wert auf die Feststellung, dass sie, die Meßstetter, und nicht die Firma Reschl Stadtentwicklung, es gewesen seien, die die im Konzept formulierten Leitlinien festgelegt hätten. "Das ist nichts, was wir uns mal eben so überlegt hätten".

Das ist es wirklich nicht: Die Meßstetter haben seit dem Sommer 2016 Fragebogen ausgefüllt – der Rücklauf betrug rekordverdächtige 45 Prozent – und sich in einer "Analysephase", einer "Dialogphase" und sieben "Bürgerwerkstätten" die Köpfe heiß geredet. Die "Agenda 2030" ist Ergebnis eines kommunalen Selbstfindungsprozesses, den sich die vielen Beteiligten nicht leicht gemacht haben und Reschl aller Ehren wert fand: Konzeptionelle Stadtentwicklung, befand er, könne nur Erfolg haben, wenn die nötigen Ressourcen vorhanden seien: "Eine engagierte Bürgerschaft, ein engagierter Gemeinderat, ein engagierter Bürgermeister – Meßstetten hat alle drei."

Dass so viele beteiligt waren, schloss Überraschungen freilich von Anfang an aus. Die "Agenda 2030" wartet nicht mit neuen Patentrezepten auf, sondern formuliert, worauf die Meßstetter stolz sind, was sie bewahren wollen und was sie ändern muss, damit anderes bleiben kann wie es ist. Wichtigste Vorgabe: nicht schrumpfen! Der Korridor, innerhalb dessen sich die Bevölkerungszahl bewegen sollte, liegt laut Reschl zwischen 10 100 und 10 500 Einwohnern; dafür ist ein jährlicher Nettozuwachs von 20 bis 50 Neubürgern erforderlich. Die würden kommen, aber nur wenn die Lebensqualität stimmt – und umgekehrt setzt eine gleichbleibend hohe oder gar steigende Lebensqualität eine konstante Einwohnerzahl voraus. Schwund ist Gift für die Infrastruktur.

Und was verstehen die Meßstetter unter Lebensqualität? Ihre Wünsche sind nicht extravagant: Wohnraum, anständige Arbeit, Betreuungs- und Bildungsangebote für die Kinder, Pflegeeinrichtungen für die Betagten, einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr, eine schnelle Breitbandverbindung und eine ärztliche Versorgung, die ohne lange Autofahrten zu haben ist. An diesen Ansprüchen, so Reschl und seine Mitarbeiter, solle sich die Kommunalpolitik in den kommenden Jahren orientieren – die Stuttgarter empfehlen eine aktivere Liegenschaftspolitik und professionelles Flächenmanagement, eine Wirtschaftsförderung, die sich auf Bestandspflege konzentriert, Schützenhilfe für den Einzelhandel, Barrierefreiheit, wo immer sie möglich ist, und eine Aufwertung der Ortskerne. Mit der Ausweisung weiterer Neubaugebiete bei gleichzeitiger Forcierung der Innenentwicklung, der Konversion, der Schaffung generationenübergreifender Treffpunkte, der Umnutzung des Wasserturms und der neuen Sportstättenentwicklungsplanung sehen sie die Stadt auf dem richtigen Weg.

Auch Stadtentwicklung muss bezahlbar sein

Allerdings, in diesem Punkt waren sich Reschl, Bürgermeister Frank Schroft, und die Gemeinderäte, die sich in der Debatte zu Wort meldeten einig: All das muss finanzierbar sein, es geht nicht alles gleichzeitig, und daher müssen Prioritäten gesetzt werden. Welche, das hängt auch von den Umständen ab, und die sind, anders als die Ansprüche der Meßstetter, durchaus speziell: Sie haben einen Bundeswehrstandort eingebüßt, haben durch die Aufnahme von mehreren tausend von Flüchtlingen moralischen Kredit erworben und warten nun mit wachsender Ungeduld darauf, das Bund und/oder Land endlich ihre moralischen Außenstände begleichen: Eine Rückkehr der Bundeswehr oder die Ansiedlung einer Landespolizeischule hätte unweigerlich Einfluss auf den Verlauf der "Leitplanke" und auf die Reihenfolge, in der die Punkte der "Agenda 2030 abgearbeitet werden. Aber in Berlin und besonders in Stuttgart herrscht Funkstille, und das verstimmt. CDU-Sprecherin Elke Beuttler formulierte es sehr moderat: "Wir sind ungehalten."