Angewidert oder arrogant?: Mit Mimik und Gestik lassen sich Stimmungen deutlich machen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Schulsozialarbeit am Gymnasium und an der Realschule in Meßstetten sucht nach Lösungen für die Jugendlichen

Von Christoph Holbein

Meßstetten. "Mir zeigt es, dass es ganz wichtig ist, dran zu bleiben, wirklich soziales Lernen und soziales Training regelmäßig zu machen, gemeinsam mit den Lehrern", sagt Johanna Burger. Sie ist am Gymnasium und an der Realschule in Meßstetten als Schulsozialarbeiterin tätig.

"Meine Arbeit ist eine sehr gute Ergänzung zu bestehenden Angeboten", betont die sozialpädagogische Fachkraft. Deshalb wünscht sie sich, dass Schüler, Lehrer und Eltern ihre Tätigkeit als Unterstützung annehmen: "Mein Ziel ist, dass wir wie ein Team zusammenarbeiten, uns gegenseitig positiv unterstützen – zielgerichtet zum Wohle des Kindes. Dazu sind alle Beteiligten an der Schule notwendig – und die Eltern."

"Mich zu besuchen, ist nichts Schlimmes"

Seit sie an den beiden Schulen als Schulsozialarbeiterin im Einsatz ist, hat sie erkannt, "dass noch vieles nötig ist, damit die Schulsozialarbeit auch wirklich ausgeschöpft wird". Vor allem müsse das Bewusstsein entstehen, dass es nichts Schlimmes sei, zur Schulsozialarbeiterin zu gehen: "Das ist aus den Köpfen der Schüler zu holen, dass der Gang zu mir als Defizit empfunden wird. Die Jugendlichen sollen merken, dass ich für sie da bin." So ist es ein Anliegen von Johanna Burger, die Jugendlichen mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen noch mehr wahrzunehmen. "Wir müssen noch sensibler werden und genauer hinschauen, auch die Mimik und Gestik des Gegenüber sehen, um zu erkennen, da ist ein Problem."

So eine Wahrnehmung geschehe nur, wenn sich eine Beziehung zum Kind entwickle, ein Austausch stattfinde. "Es gilt, den Blick zu schärfen und bei allem nicht nur auf das Wissen und den Geist zu schauen, sondern auch das Herz und die Seele, den ganzheitlichen Menschen zu betrachten."

Darum geht es auch beim Training des sozialen Lernens in zwei fünften Klassen am Gymnasium. Die 27 Schüler nehmen daran auf freiwilliger Basis teil: "Nur Schüler, die wollen, sind mit dabei." Das Klima in der Klasse ist ein Schwerpunkt. Die Schüler sagen ihre Meinung, erzählen, wie es ihnen geht, sammeln die Probleme und versuchen, über Rollenspiele zu Lösungen zu kommen. "Ich habe schon viel dazu gelernt", sagt die elfjährige Liesa. Zum Beispiel, selbst leise zu sein, wenn jemand anders spricht, erläutert Alterskollegin Annlena. Und Lena weiß jetzt, wie sie bei einer Prügelei dazwischen geht. Selbstsicherheit ist ein weiteres Thema. Dazu gab es auch Selbstbehauptungstraining. "Die Kinder müssen lernen, frühzeitig ›stopp‹ zu sagen, Grenzen zu setzen, Grenzen einzuhalten und sich bei körperlichen Übergriffen zu wehren", betont Burger: "das laute Nein-Sagen, sich das zu trauen und zu erkennen, wie wichtig es ist, sich Hilfe zu holen." Entscheidend ist zudem die Selbstwahrnehmung.

Es geht darum, den anderen wahrzunehmen

Die Kinder üben, sich selbst einzuschätzen, überprüfen in einer Übung mit dem Partner, wie sie von anderen eingeschätzt werden. Gefühle spielen eine Rolle: Wie geht es dem anderen? "Die Kinder erfahren, genau hinzuschauen, den anderen wahrzunehmen." Dieses soziale Lernen soll ab Herbst fest und verpflichtend für alle fünften Klassen im Gymnasium integriert werden. Die elfjährige Sophie will den anderen, die nicht teilgenommen haben, erzählen, was sie erfahren und gelernt hat. Und so empfinden die Schüler das soziale Lernen als sinnvoll. Im Unterricht ändere sich bereits ein bisschen etwas, hat die elfjährige Julia festgestellt: "Ich fände es schön, wenn wir das über die gesamte Schulzeit machen würden."

(hol). Im Meßstetter Gymnasium hatte es Schulsozialarbeiterin Johanna Burger bislang kaum mit Einzelhilfe zu tun: "Es gibt hin und wieder mal einen Besuch bei mir." In der Realschule beinhaltet ihre Arbeit überwiegend Einzelhilfe. Oft sind es die schulischen Leistungen oder das Verhalten im Unterricht, was dazu führt, dass ein Schüler zu der sozialpädagogischen Fachkraft geht. Dann gilt es für Burger, eine Beziehung zu dem Schüler aufzubauen.

"Es ist wichtig, dass die Jugendlichen spüren, dass ich für sie da bin. Entscheidend ist, dass sie das Gefühl bekommen, freiwillig mich zu besuchen, dass sie es selbst in der Hand haben, etwas zu verändern." Doch oft wissen die Schüler nicht, wie sie es schaffen, aus einem Problem herauszukommen. Dann holt sich die Schulsozialarbeiterin die Erlaubnis des Jugendlichen, mit dem Lehrer in Kontakt zu treten, um gemeinsam mit allen Beteiligten ein Gespräch zu führen mit dem Ziel, eine Lösung zu finden. "Ich bin dann Mittler."

Sobald ein Schüler Einzelhilfe benötigt, sei mindestens fünf Stunden aktiv daran zu arbeiten: in Kooperation mit dem Klassenlehrer und den Eltern. "Es geht nicht alleine darum, schnell einen Brand zu löschen, sondern auch die Ursachen dafür aufzuspüren", betont Johanna Burger. Vor den Zeugnissen häufen sich die Einzelfallhilfen. "Die Schüler haben Ängste, es nicht zu schaffen, wissen nicht, was sie dann machen sollen." Burger hilft, baut Vertrauen auf: "Es gibt immer einen Weg."

Nicht selten haben die Jugendlichen, die zur Schulsozialarbeiterin gehen, mehrere Konflikte hintereinander, Probleme, die über Jahre gewachsen sind und jetzt aufbrechen. "In ihrem Innern sind die Kinder vielen Belastungen ausgesetzt und ecken nach außen durch ihr Verhalten an, weil immer mehr in sie hineingedrückt wird, sie aber gar nichts mehr aufnehmen können – die Folge: Die Kinder erwehren sich."