Freude auf beiden Seiten: Die Kinder des TSV Meßstetten haben Kuscheltiere und Spielsachen gesammelt, die sie den Lea-Kindern im Sommer 2015 stolz überreichen. Foto: Weiger Foto: Schwarzwälder Bote

Adieu Lea!: Wie alles in der früheren Kaserne begann: 33 Flüchtlinge ziehen im Oktober 2014 ein – Serie Teil 7

Mitte August 2014 ist es, als sich Meßstetten zum ersten Mal mit den Plänen des Landes Baden-Württemberg auseinandersetzt, in der einstigen Zollernalbkaserne Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Rückblick.

Meßstetten. Landrat Günther-Martin Pauli will sich vor dem Notstand nicht wegducken: "Uns sind diese Menschen anvertraut. Gleichzeitig haben wir aber auch eine Verantwortung für die Menschen, die hier in Meßstetten leben." Bei allem, was mit dem Gelände geschehe, dürfe die Nachnutzung der Kaserne nicht aus den Augen verloren werden. Bis längstens Ende 2016, so heißt es damals, sollen 500 bis maximal 1000 Flüchtlinge unterkommen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sichert Landrat Pauli und der Stadt Meßstetten Hilfe zu.

Am 20. August 2014 laden Stadt und Kreis zu einem Informationsabend über die Landeserstaufnahmestelle (Lea) in die Festhalle. Gerüchte, die für Unruhe sorgen und – auch übers Internet – Ängste schüren, haben den Ausschlag dazu gegeben. Nicht nur die damalige baden-württembergische Integrationsministern Bilkay Öney kündigt ihr Kommen an, sondern auch der NPD-Landesverband. Die Polizei ist mit einem stattlichen Aufgebot vor Ort. Das Gros der Wortmeldungen ist sachlich und von Verständnis geprägt. Kritische und rassistische Äußerungen quittiert das Publikum mit Buh-Rufen. Moderator Werner Knubben ist voll des Lobs: "Sie haben heute Abend ein hohes Maß an Menschlichkeit bewiesen."

Die Vorbereitungen laufen mit Hochdruck an, zumal die Verantwortlichen der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe sehr auf die Meßstetter hoffen. Die Einrichtung ist stark überfüllt. Der Gemeinderat gibt einstimmig grünes Licht für die Meßstetter Lea. Ende September 2014 stößt ein Info-Abend für Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, auf überwältigenden Zuspruch.

Ende Oktober 2014 sind die ersten 33 Flüchtlinge da: Menschen aus Afghanistan, dem Irak und Serbien beziehen die frühere Bundeswehrkaserne. Integrationsministerin Bilkay Öney eröffnet Mitte November 2014 die Einrichtung offiziell; das Röntgengerät, für das sich Landrat Pauli stark eingesetzt hat, ist eingetroffen. Wenige Tage später besprühen Unbekannte die Lea-Hinweisschilder mit Hakenkreuz und Nazi-Symbolen, an einem Buswartehäuschen entdeckt die Polizei SS-Runen und rechte Parolen.

Das Weihnachtsfest 2014 feiern die Flüchtlinge interreligiös. Im Januar 2015 setzen fünf Bands bei einer Lea-Benefizveranstaltung ein Zeichen gegen Rassismus, im April versetzt die NPD die Lea-Verantwortlichen in Schrecken. Via Facebook teilt die Partei mit, ihre Landesgeschäftsstelle im Meßstetter "Waldhorn" einrichten zu wollen – in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landeserstaufnahmestelle. Im Mai demonstrieren antifaschistische Gruppen gegen diese Pläne. Die NPD bleibt Meßstetten fern.

Ende Juli 2015 leben rund 1700 Flüchtlinge in Meßstetten. Zu diesem Zeitpunkt ist die Stadt in Sachen Großgefängnis aus dem Rennen: Der damalige Bürgermeister Lothar Mennig hat bis zuletzt auf das Wort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vertraut. Dieser hat ihm für den Wegfall der Zollernalbkaserne einen Ausgleich in Aussicht gestellt.

Die Kinder des TSV Meßstetten statten der Lea im Sommer einen Besuch ab. Sie haben Kuscheltiere und Spielsachen gesammelt. Anfang September 2015 ist ein Großaufgebot der Polizei vor Ort, um einen Streit in der Lea zu schlichten.

Die Kleidersammlung im Spätsommer wird ein Erfolg. Die Helfer kommen beim Verstauen der Kleider, Schuhe, Kinderwagen und Spielsachen ins Schwitzen. So viel Einsatz wird belohnt. Mit einem Flyer danken junge syrische Flüchtlinge den Bürgern in Meßstetten für die gute Aufnahme.