Ein Kopf größer: Wladimir Klitschko (li.) boxt am Samstag gegen Jean-Marc-Mormeck um den Weltmeistertitel Foto: dpa

Der Ex-Schwergewichtler über die Titelinflation und die Zukunft ohne die Klitschko-Brüder.

Stuttgart - Nach Vitali Klitschko und Marco Huck steigt am  Samstag (22.45 Uhr/RTL)  Wladimir Klitschko in den Ring. Der Herausforderer heißt Jean-Marc Mormeck und hat wie die meisten seiner Vorgänger wohl keine Chance – sagt zumindest Ex-Boxer Luan Krasniqi

Herr Krasniqi, beim Kampf von Wladimir Klitschko gegen Jean-Marc Mormeck sind Sie wieder als TV-Experte im Einsatz. Würden Sie nicht viel lieber selbst im Ring stehen?
Fit genug wäre ich. In meinem Gym in Rottweil bin ich auf jeden Fall noch immer der Beste (lacht).


Was hindert Sie also am Comeback?
Ich will mich nicht hinten anstellen. Und eine andere Chance bekomme ich nicht.

Und wenn doch?
Eines sage ich Ihnen: Ein Alexander Powetkin in der Form von Stuttgart wäre der ideale Gegner für mich – ich könnte garantieren, dass ich gegen ihn Weltmeister werde. Als ich seine Leistung gegen Marco Huck gesehen habe, wollte ich sofort zurück in den Ring.

Marco Huck hat es am Samstag trotzdem nicht geschafft, Powetkin zu schlagen.
Für mich war er der moralische Sieger, obwohl er viel mit Gewalt versucht und teilweise unfair geboxt hat.

Die Punktrichter haben anders entschieden.
Powetkin hat mich bitter enttäuscht. Er war ab der fünften Runde platt, wäre fast k. o. gegangen. Sein dauerndes Abtauchen war absolut unsauber. Ein Schritt zurück, ein richtiger Aufwärtshaken, und er wäre umgefallen. Dermaßen unvorbereitet in einen Kampf zu gehen ist mies, unprofessionell und eine Anmaßung. So jemand verdient es nicht, Weltmeister zu sein.

Ist er ja eigentlich auch nicht.
Das ist eigentlich ein Skandal. Wie kann es sein, dass ein Verband wie die WBA zwei Weltmeister hat? Einen Superweltmeister Wladimir Klitschko und einen Weltmeister Alexander Powetkin – das geht nicht.

Was ist das Motiv der WBA?
Die Verbände wollen Geld verdienen, indem sie Titelkämpfe verkaufen, die eigentlich keine sind. Man hat das Gefühl, als gebe es inzwischen für jeden Schwergewichtler einen eigenen Titel. Damit schaden die Verbände doch nur ihrem Sport. So eine Titelinflation ist tödlich fürs Boxen.

Auch die Klitschkos kritisieren die WBA.
Völlig zu Recht. Man kommt sich ja fast schon vor wie beim Kickboxen – dort wird beinahe an jedem Wochenende ein neuer Verband gegründet. Für mich ist deshalb klar: Wenn die Klitschkos aufhören, wird der Boxsport in Deutschland in eine tiefe Krise rutschen.

Das ist dann ja nur noch eine Frage der Zeit.
Richtig.

Was würde dem Boxsport fehlen, wenn die Klitschkos ihre Karrieren beendet haben?
Die beiden dominierenden Figuren.

„Das Image des Boxens hat sich verschlechtert“


Es würde im Schwergewicht aber zumindest wieder mehr ausgeglichene Kämpfe geben.
Klar, Powetkin und Huck waren gleichwertige Gegner. Aber die Klitschkos haben das Boxen perfektioniert, Vitali und Wladimir sind eine Klasse für sich. Boxerisch, aber auch vom Drumherum. Klitschko-Kämpfe sind Box-Ereignisse. Durch sie hat dieser Sport in Deutschland einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Sie sind der Maßstab.

Wo stehen die Klitschkos in Ihrer ewigen Rangliste des Schwergewichts?
Nicht ganz vorne, da sind Muhammad Ali, Joe Louis, Max Schmeling, George Foreman, Mike Tyson oder Lennox Lewis. Die Klitschkos schaffen es aber in meine persönliche Top Ten.

Was fehlt Ihnen für die absolute Spitze?
Vitali hat sich alles, was er erreicht hat, mit enormem Willen erarbeitet. Er ist ein herausragender Kämpfer, aber boxerisch weniger begabt als die ganz Großen. Wladimir ist ein toller, ästhetischer Boxer. Aber er ist empfindlich gegenüber Schlägen, das zeigen seine drei K.-o.-Niederlagen. Ein ganz Großer muss auch einstecken können.

Zudem haben die Klitschkos noch keinen Kampf gezeigt, der nie vergessen werden wird – so wie Ali gegen Foreman oder Schmeling gegen Louis. Müssten sie gegeneinander antreten, um zur Legende zu werden?
Den Kampf Vitali Klitschko gegen Lennox Lewis wird man auch nicht vergessen. Niemand kann den Klitschkos vorwerfen, dass ihnen jetzt die Gegner für spektakuläre Kämpfe fehlen. Normalerweise müsste es ein Ansporn für jeden Boxer sein, sie zu schlagen. Doch den meisten fehlt der Mut. Eine Ausnahme war zuletzt Dereck Chisora. Gegen ihn hat Vitali Klitschko vor zwei Wochen in München so viele Schläge kassiert wie in seinen zehn Kämpfen zuvor zusammen nicht.

Wäre es besser für ihn, bald aufzuhören?
Ich bin nicht dazu da, um Vitali Klitschko Ratschläge zu erteilen. Aber es ist nicht zu übersehen, dass er älter wird. Und auch der Spagat zwischen Sport und Politik geht nicht spurlos an ihm vorbei.

Im Ring war Chisora stark, dafür hat er große menschliche Schwächen gezeigt. Muss eine Ohrfeige für den Gegner beim Wiegen sein?
Das war natürlich unsportlich. Aber das Boxen lebt von Aggressionen. Da kommt es dann auch manchmal zu einem Ballyhoo. Der TV-Quote hat die Ohrfeige sicher nicht geschadet. Aber was danach passiert ist, das Anspucken von Wladimir Klitschko im Ring und die Schlägerei bei der Pressekonferenz, das ist unterste Schublade. Das darf Chisora und leider auch Haye einfach nicht passieren.

Klitschko-Manager Bernd Bönte hat gegen Marco Huck eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil dieser behauptet hat, die Ohrfeige und die Prügelei seien inszeniert gewesen. Was glauben Sie?
Die Ohrfeige war zu hart und die Schlägerei zu brutal, um gesteuert gewesen zu sein. Ich halte es aber für überzogen, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, weil jemand seine Meinung sagt. Doch das muss Bernd Bönte verantworten.

Der nächste Kampf, der verkauft werden muss, heißt Klitschko gegen Mormeck.
Mormeck steht zumindest in zwei Verbänden unter den ersten zehn. Von daher bekommt er diese Chance. Sportlich verstehe ich aber nicht, wie Mormeck überhaupt zum Herausforderer werden konnte. Er hat 2011 keinen einzigen Kampf bestritten und ist 20 Zentimeter kleiner als Wladimir Klitschko. Er kommt gar nicht an ihn heran.

Würde es denn stärkere Gegner geben?
Die Klitschko Management Group ist inzwischen ein riesiger Apparat, der am Laufen gehalten werden muss. Und wen gibt es denn noch in den Rankings, der nicht schon vorher gegen Vitali oder Wladimir verloren hätte?

Sie gelten als TV-Experte, der seine Meinung offen vertritt. Gibt es auch mal einen Rüffel, wenn Sie die Klitschkos kritisieren?
Ich sage eben, was ich denke. Und ich versuche, den Zuschauern den Boxsport so verständlich wie möglich zu vermitteln. RTL zensiert mich nicht.

Wie lange läuft Ihr Vertrag dort noch?
Ich denke, solange die Klitschkos boxen, werde auch ich dabei sein.

Und was kommt danach?
Das Image des Boxens hat sich verschlechtert. Das sieht man auch daran, dass die TV-Sender über diesen Sport anders denken als noch vor ein paar Jahren. RTL ist es gewohnt, mit den Klitschkos die Besten zu zeigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich danach mit zweitklassigen Boxern abgibt.