Die Drogeriekette Schlecker hat auf Lohndumping- Vorwürfe reagiert und will ab sofort keine Zeitarbeitsverträge mehr mit der umstrittenen Firma Meniar abschließen.

Ehingen - Die Drogeriekette Schlecker hat auf Lohndumping-Vorwürfe reagiert und will ab sofort keine Zeitarbeitsverträge mehr mit der umstrittenen Firma Meniar abschließen. Laut Gewerkschaft Verdi hat Meniar bislang rund 43.000 Leiharbeiter an Schlecker vermittelt.

In der Auseinandersetzung mit Schlecker haben Gewerkschafter nun prominente Verbündete in der Politik gefunden - allen voran Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Ihr Ministerium werde sehr genau prüfen, ob die Firma Gesetze verletze oder umgehe. Weise der Gesetzesrahmen Schlupflöcher oder Lücken auf, werde die Regierung nachbessern, versprach sie.

Die Gewerkschaft Verdi wirft Schlecker vor, kleinere Filialen zu schließen und für neu eröffnete sogenannte XL-Märkte Personal hauptsächlich über eine Leiharbeitsfirma einzustellen - zu deutlich schlechteren Bedingungen. Manfred Wages, bei Verdi gesamtverantwortlich in Sachen Schlecker, spricht gegenüber unserer Zeitung von Tarifflucht. Anstelle des im Einzelhandel geltenden Tariflohns von 12,70 Euro erhielten die neu Eingestellten nur 6,78 Euro. Zudem würden weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld gezahlt, auch der Urlaubsanspruch falle deutlich geringer aus.

Wages hat seit 18 Jahren mit Schlecker zu tun, weiß um die Nöte von Mitarbeitern und Betriebsräten. 2009 seien fast 1000 alte Schlecker-Filialen geschlossen und bis zu 250 großflächige XL-Märkte eröffnet worden - mit einem größeren Sortiment und wesentlich geringeren Personalkosten. Dem 65-jährigen Firmenpatriarchen Anton Schlecker bescheinigt er dabei sogar eine Bauernschläue. Würde Schlecker offiziell erklären, die alten Märkte zugunsten der XL-Märkte zu schließen, wäre das eine Betriebsänderung und würde einen Interessenausgleich und teuren Sozialplan erfordern. Weil die XL-Märkte eine andere Rechtsform als die Schlecker-Verkaufsstellen hätten, könne die Stammbelegschaft nicht ihren Arbeitsplatz tauschen. Wages spricht von "Entsorgung des alten Personals", weil befristete Verträge nicht verlängert und Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt wurden. Ihnen seien teils neue Verträge angeboten worden über die Zeitarbeitsfirma Meniar (bedeutet Menschen in Arbeit), wodurch Schlecker fast die Hälfte des Bruttolohns, Urlaubstage, Weihnachts- und Urlaubsgeld spare.

Rückkehr als billige Leiharbeiter

Schlecker-Partner Meniar Personalservice GmbH hat seinen Sitz in Zwickau und ist formal eigenständig. In der Praxis sieht Verdi die Zeitarbeitsfirma jedoch eng mit Schlecker verbandelt und vermutet gar, dass sie konzernintern gegründet wurde, um Tarifverträge zu unterlaufen. Meniar-Geschäftsführer Alois Over war jahrelang Personalmanager bei Schlecker und hat auch noch ein Büro am Schlecker-Konzernsitz Ehingen.

"Die personelle Verquickung ist doch augenscheinlich", sagt Verdi-Vertreter Wages und spricht vom "Drehtüreffekt" - davon spricht man, wenn angestammte Mitarbeiter das Unternehmen auf dem Papier verlassen und im nächsten Augenblick als billigere Leiharbeiter zurückkehren. Wages sieht dafür weitere Indizien, weil Meniar in Zwickau auf dem gleichen Flur wie die Schlecker-Geschäftsführung sitze und die Zeitarbeitsfirma ausschließlich für Schlecker tätig sei.

Das hat auch die Politik auf den Plan gerufen. Von der Leyen sagte, ein solches "In-sich-Geschäft" sei nicht im Sinne des Gesetzgebers. Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Heinrich Kolb wollte Gesetzesänderungen nicht ausschließen. Zunächst sei aber zu prüfen, ob bei der Lizenzvergabe an Zeitarbeitsfirmen nicht Verbesserungen möglich seien, dass im Fall von Missbrauch schneller die Notbremse gezogen werden könne.

Schlecker will auf Anfrage unserer Zeitung künftig nicht mehr mit Meniar zusammenarbeiten. Die öffenltiche Diskussion um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern der Firma Meniar durch Schlecker habe man nicht nachvollziehen können. "Um diese jedoch zu beenden, hat die Firma Schlecker beschlossen, mit sofortiger Wirkung keine neuen Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit Meniar mehr abzuschließen", teilte Schlecker mit.

Politik soll handeln

Die Bundesagentur für Arbeit sieht Handlungsbedarf der Politik. "Schlecker hat offenbar Stammbelegschaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen", sagt eine Sprecherin der Nürnberger Behörde. "Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig." Ein anderer Ansatzpunkt sei die Tariffähigkeit der christlichen Gewerkschaft, die mit der Zeitarbeitsfirma den Tarifvertrag geschlossen habe. Solange nicht endgültig festgestellt sei, dass diese nicht tariffähig sei, habe man keine Handhabe, die Genehmigung zur Zeitarbeit zu entziehen, so die Sprecherin. Der Rechtsstreit über die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) zieht sich jedoch hin. Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte die Kleingewerkschaft im Dezember für nicht tariffähig erklärt, womit die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge ungültig würden. Gegen das Urteil hat die Gewerkschaft aber Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Es ist daher noch nicht rechtskräftig.

Schlecker weist Lohndumping-Vorwürfe zurück. "Es ist evident, dass die Gewerkschaft Verdi seit langem immer wieder gezielte Desinformations- und Diffamierungskampagnen gegen Schlecker und nunmehr auch gegen die eigenständige Schlecker XL GmbH führt", heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens auf Anfrage unserer Zeitung. Es sei befremdlich, "dass nun Politiker, deren Parteien seit langem stets die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse gefordert und gesetzlich gefördert haben, hier - offenkundig aus populistischen Motiven - miteinzustimmen scheinen", heißt es weiter. Die Schlecker XL GmbH sei ein eigenständiges Unternehmen, das auch 2010 stark expandieren werde. Die Arbeitsbedingungen bewegten sich im Rahmen des allgemein Üblichen. In vielen Fällen lägen die Stundenlöhne bei bis zu 13 Euro und mehr. Von Lohndumping könne keine Rede sein. Bei Meniar handle es sich um einen konzernunabhängigen Personaldienstleister. Dass der Meniar-Geschäftsführer in Ehingen ein Verbindungsbüro zu Koordinationszwecken unterhalte, sei eine "reine Selbstverständlichkeit", kontert Schlecker die Vorwürfe weiter.

Die Zeitarbeitsbranche selbst wehrt sich gegen Lohndumping und hatte bereits auf die Gründung von Meniar reagiert. Die Branchenverbände BZA (Bundesverband Zeitarbeit) und IGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) forderten eine Initiative vom Arbeitsministerium gegen konzerninterne Zeitarbeitsfirmen. Ein Zeitarbeitsunternehmen zu gründen, nur um Tarifkonditionen zu umgehen, sei eine Trickserei. "Solch ein Geschäftsgebaren missbraucht den Mechanismus Zeitarbeit und schadet unserem Image", so BZA-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen.

Manche Arbeitsrechtler sehen das Modell als legal an, andere als "rechtsmissbräuchliche Strohmann-Konstruktion", wie die "Wirtschaftswoche" den Arbeitsrechtler und Zeitarbeitsspezialisten Peter Schüren zitiert.