So sah der Schulalltag vor 50 Jahren in dem kleinen Ort Reiselfingen aus. In einem Klassenraum wurden mehrere Schulklassen unterrichtet. In Reiselfingen gingen bis zu 80 Schüler in die Volksschule. Fotos: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Rektor Bertold Müller erinnert sich / Reiselfingens Schulalltag vor 50 Jahren

Nun neigt sich das Jubiläumsjahr in Reiselfingen dem Ende entgegen. Das ganze Jahr über stand bei vielen Veranstaltungen die erste urkundliche Erwähnung vor 800 Jahren im Mittelpunkt.

Löffingen-Reiselfingen. Nicht 800 Jahre, aber 50 bis 60 Jahre zurück entführte jüngst der ehemalige Rektor Bertold Müller (76), der die jüngste Reiselfinger Schulgeschichte erforscht hat.

Reiselfinger Volksschule: Die Reiselfinger Volksschule war nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu ihrem Ende der 1960erJahre ein wichtiger und fester Bestandteil im Dorfleben. Ab 1964 prägte Bertold Müller das Reiselfinger Schulleben. Hier hatte er die erste und prägendste Lehrerstelle, die auch mit dem Dorfleben verbunden war.

"Die Schule – heute Thekenbereich der Dietfurthalle – war mit zwei Klassenzimmern für rund 80 Schüler ausgelegt. Im Obergeschoss gab es einen kleinen Ausweichraum für Handarbeit und Religionsunterricht", so Müller. Daneben lag eine größere Wohnung für den Oberlehrer und eine kleinere Wohnung für den Unterlehrer. Hinter der Schule waren verschiedene Holzschuppen, in dem auch Holz und Kohle für die Schule gelagert war. "Die Holzöfen in den Klassenzimmern wurden jeden Morgen von der Schuldienerin angeheizt", so Müller.

Sport gab es anfangs nicht in diesem Sinne, die Kinder spielten auf der Straße. Erst als die Holzschuppen abgerissen wurden, gab es im Hinterhof Platz, um dort ein fest montiertes Kombigerät mit Reck, Barren, Kletterstange und Kletterseil anzubringen. Gleich nebenan gab es eine Weitsprung-Anlage.

Zwei Klassenzimmer: "Heute wäre dies nicht mehr vorstellbar", erinnert sich Bertold Müller, der auch als Musiker und Chorleiter mit Reiselfingen verbunden war. In einer Klasse wurden die Grundschüler unterrichtet, im zweiten Klassenzimmer die Hauptschüler (Klasse fünf bis acht). In der Grundschulstufe begann man meist mit den Dritt- und Viertklässlern, zwei Stunden später kamen die Erst- und Zweitklässler. In den oberen Stufen versuchte man klassenübergreifend zu unterrichten, allerdings wichtige Fächer wie Mathematik oder Deutsch klassenstufenmäßig. Dies bedeutete für die anderen Stillarbeit. "Vier Klassenstufen in einem Zimmer war für die Lehrer eine große Herausforderung und erforderte genaue Planung. Tugend, Disziplin, Folgsamkeit und Respekt waren noch an der Tagesordnung", so Berthold Müller, Lehrer mit Leib und Seele.

Reformen bringen Veränderungen: Bertold Müller, der schnell zum Reiselfinger Schulrektor aufstieg, musste sich bald mit den Schulreformen auseinandersetzen. 1966 wurde das neunte Schuljahr eingeführt. Alle Neuntklässler wurden zusammen zentral in Löffingen unterrichtet und gleich auch die Achtklässler mitgeschickt.

"1971 kam die nächste gravierende Veränderung, als die gesamte Hauptschule nach Löffingen verlagert wurde", so Müller. Nun gab es in Reiselfingen nur noch die Grundschule. 1974 war auch dieses Kapitel zu Ende. In Löffingen herrschte damals jedoch Raumnot und so wurden die Dritt- und Viertklässler aus Löffingen, Göschweiler, Reiselfingen und vom Reichberg kurzerhand in die Schule nach Göschweiler ausgelagert. 1987 wurde die Grundschule Göschweiler-Reiselfingen wieder eröffnet. Heute ist sie eine Außenstelle der Grundschule Löffingen.

Bertold Müller (76) kam 1964 als Junglehrer in die Dorfschule Reiselfingen und erlebte hier die Vorteile der Nähe zu den Schülern und der Bevölkerung, genoss aber auch den kurzen Weg vom ersten Stock der Lehrerwohnung in die Schule. Weniger erfreulich war die ständige Beaufsichtigung, vor allem des damaligen Pfarrers, der genau Buch führte, wie oft Müller im sonntäglichen Gottesdienst fehlte und er lieber bei den Segelfliegern weilte und wann und wie lange der junge Lehrer Besuch bekam.