Andy Feind berichtet im großen Rathaussaal über seine Depressionserkrankung. Foto: Stephan Hübner

Einen tiefen Einblick in seine Seele bot Andy Feind bei einer Lesung im Rathaussaal. Er las aus seinem Buch „Gedankengewitter: Inmitten meines Depressionstornados“. Die Veranstaltung erfolgte im Rahmen von „Zehn Jahre Selbsthilfegruppe St. Georgen“.

Andy Feind sei vorne dran, wenn es um das Sprechen über psychische Erkrankungen gehe, so Gemeinderat Oliver Freischlader zur Begrüßung. Er sei überregional das Gesicht der Aktion „Gemeinsam gegen Depression“.

Feind versucht nach eigener Aussage, mit seinen Aktionen Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen.

In seinen Ausführungen schwankte er zwischen Alltäglichem und schonungslosen Offenbarungen, berichtete zum Beispiel davon, dass er bei Sturm und Gewitter gern spazieren gehe, sich aber auch problemlos sämtliche negativen Dinge an den Kopf werfen und damit selbst verletzen könne.

Lob verpufft einfach

Lob verpuffe an ihm einfach und irgendwann habe er den Entschluss gefasst, dass es besser wäre, wenn er nicht mehr da wäre, so Feind, der eine Passage des Buches las, in dem es um seinen Suizidversuch ging.

Wie ein Auto im Stau

Der Autor berichtete von einer Befragung von 5000 Personen, von denen 80 Prozent meinten, dass gegen Depression Schokolade helfe, 19 Prozent erklärten, man müsse sich einfach zusammenreißen. „Weiß irgendjemand, wie das geht?“ Auch der Ratschlag „Geh raus“ funktioniere nicht. Man fühle sich wie ein Auto mitten im sommerlichen Stau auf der Autobahn. Positiv denken sei alles andere als einfach. Depression sei eine Behinderung und sehr individuell. Manch einer sei hochsensibel, andere spürten gar nichts.

Er kritisierte den Ausspruch gegenüber Kindern „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Der führe dazu, dass Männer die emotionale Intelligenz eines rostigen Büchsentelefons hätten. So sei die Selbstmordrate unter depressiven Männern dreimal höher als unter betroffenen Frauen, da sie zu spät zum Arzt gingen. Dabei sei es ein Zeichen von Stärke und Willenskraft, eine Depression auszuhalten.

Die Gesellschaft verlerne Empathie und werde immer egozentrischer. Dabei sei zuhören der Faktor, der Depressiven am meisten bringe. Es sei falsch, Leute nicht darauf anzusprechen.

„Es lohnt sich, zu kämpfen“

Weitere Buchkapitel handelten von stationären Klinikaufenthalten Feinds, seinen Befürchtungen davor und Therapien, mit denen er zunächst nichts anfangen konnte, sowie einem Versuch, in einer Sauna zu grillen. Er riet Depressiven zu vollstationärer Behandlung, da man dort viel über sich selbst lernen könne. „Es lohnt sich, zu kämpfen.“ An manchen Tagen empfinde er ehrliche Freude am Leben. Kraft müsse aus glücklichen Momenten kommen. Und in tiefer Dunkelheit könne man sich daran erinnern, schlimme Phasen überwunden zu haben.

Man gehe davon aus, dass in Deutschland jeder vierte im Lauf des Lebens eine behandlungswürdige Depression durchmache, so Feind. Es gebe aber einen großen Unterschied zwischen Depression und deprimiert sein.

Humor kann helfen

„Ganz großartig“ nannte er Selbsthilfegruppen wie die in St. Georgen. Auch Humor sei ganz wichtig. Als Ratschläge gab er Gästen mit auf den Weg, nett zu sich selbst zu sein, aber auch zu anderen, da man nie wisse, welche Dämonen die mit sich trügen. Auch sei das Leben zu kurz, um es mit Menschen zu vergeuden, die einen nicht zu schätzen wüssten. Er riet auch dazu, sein inneres Kind zu bewahren und sich Fehler zu erlauben.