Sebastian Goehl (von links), Katya Cankovski, David Todt und Anne-Marie Walz hauen auf den Tisch – stellvertretend für viele Lehrer im Schwarzwald-Baar-Kreis fordern sie, dass mit vielen Missständen im Landkreis endlich Schluss sein müsse. Foto: Cornelia Spitz

„Manches bringt das Fass zum Überlaufen“ – finden viele Lehrer im Schwarzwald-Baar-Kreis und machen jetzt mobil.

David Todt und Sebastian Goehl sitzen im Vorstand des Kreisverbandes Schwarzwald-Baar der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg. Sie blicken eigentlich auf eine „vielfältige Bildungslandschaft“, sagt David Todt – trotz ländlicher Region. Gute Voraussetzungen für Lehrkräfte.

Doch selbst da, wo die Welt noch in Ordnung sein sollte, drohe sie, aus den Fugen zu geraten, erzählen die Lehrer gemeinsam mit Anne-Marie Walz und Katya Cankovski, ebenfalls Lehrer und Mitglied im GEW-Kreisverband, beim Pressegespräch beim Schwarzwälder Boten.

Lehrern eine Stimme geben

Sie haben sich vorgenommen, Lehrern eine Stimme zu geben. „Seit vielen Jahren“ liege vieles im Argen, sagt Cankovski und meint nicht nur die marode Fassade der Schwenninger Gartenschule, wo sie Dienst tut. Die mediale Ausstattung an Grundschulen hinke – dem Digitalisierungsbooster Corona-Pandemie zum Trotz – hinterher. „Wir schreiben immer noch auf Kreidetafeln“, erzählt sie kopfschüttelnd. Moderne Whiteboards seien angekündigt. Viel zu spät.

Eine Weile verlieren sich alle in Aufzählungen über Mängel hier oder da im Landkreis. Dann bringt Anne-Marie Walz es auf den Tisch: „Das gravierendste ist der Lehrermangel.“

Sonst wäre das System schon am Ende

Nachgefragt, bei Schulamtsleiterin Susanne Cortinovis-Piel ist zu erfahren, dass im Primärbereich vier Prozent Lehrer fehlen, im Sekundarbereich 1,8 Prozent – in der Momentaufnahme. Und obendrein eine verzerrte. Was die GEW-Mitglieder erzählen, zeigt: Die Lücke ist größer. Im Delta verschwunden sind die vielen Klassen in der Region, die über dem Klassenteiler liegen. Und auch, wie viele „Personen ohne Lehramtsbefähigung“, Nichterfüller, vor ihnen stehen – „ein Notnagel, dass überhaupt irgendwer dasteht“, sagt Goehl. Die Krux macht Todt deutlich: „Ohne diese Nichterfüller wäre das System schon am Ende.“

Eine komische Mischung sei es, den Ruf nach mehr Lehrern einerseits zu hören, und andererseits feststellen zu müssen, dass der Beruf kaum gewürdigt werde, finden die Lehrer.

Sie machen eine Liste auf, die zu vollenden das Pressegespräch nicht ausreichen würde, erzählen etwa von Teilzeitarbeitenden, die mehr tun sollen. „Es hat aber seine Gründe, warum jemand Teilzeit arbeitet“, meint Walz und erzählt vom notwendigen „Selbstschutz“. „Sonst wäre schlichtweg vieles nicht leistbar.“

Bestellt wird jetzt, bezahlt wird später

Gehe es nach Kultusministerin Theresa Schopper – keine Teilzeit oder Beurlaubungen – gebe es für Lehr-Kräfte keine Work-Life-Balance, sagt Goehl. „Der Lehrermangel ist nicht neu.“ Und Nichterfüller seien nicht nur lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, sie bräuchten auch dringend eine systematische Qualifizierung. „Mentoren“, sagt David Todt, „dafür bräuchten wir Stunden.“ Zumal, wie Cankovski sagt, einige Nichterfüller im Kreis in Grundschulen sogar als Klassenlehrer eingesetzt werden.

Und klar: Den GEW-Vertretern geht es auch ums Geld. Eindrucksvoll schildern sie, wie viele Überstunden jeder von ihnen unterjährig leiste – abrechnen dürften sie diese erst vor den Sommerferien, „wenn ich Glück habe, bekomme ich das Geld zum Ende der Ferien“. Bestellt wird jetzt, bezahlt wird später.

A13 für alle Bestands-Grund- und Hauptschullehrkräfte und nachfolgenden Primär- und Hauptschul-Lehrkräfte fordern sie. Gemäß der Gewerkschaftsforderung. Man spürt den Frust, den die GEW-Vertreter stellvertretend in die Redaktion tragen. Nicht erst, als Sebastian Goehl fast auf den Tisch haut und klingt, als stehe er gerade inmitten einer Lehrer-Demo: „Teilweise sind künftige Lehrkräfte, noch im Referendariat, höher bezahlt als Bestandslehrer – mit diesem Irrsinn muss einfach Schluss sein!“