Ohne Druckstellen kommt die Banane bis vor die Haustür - dafür braucht sie aber einen riesigen Karton und jede Menge Verpackungsmaterial Foto: Warth

Bequem und stressfrei soll der Lebensmittelkauf online sein - Test zeigt das Gegenteil.

Stuttgart - Spätestens seit auch das Online-Versandhaus Amazon Lebensmittel verschickt, stellt sich die Frage: Warum sollte man den realen Einkaufswagen mit der virtuellen Maus tauschen? Und wie frisch kommt eine Banane per Post an? Ein Selbstversuch.

Amazon - das Einkaufszentrum

Amazon: 55 236 verschiedene Lebensmittel - mangelndes Angebot kann man dem Branchenneuling nicht vorwerfen. Also ein paar Nürnberger Rostbratwürstchen von den Fertiggerichten, Eier aus der Bioabteilung und ein Stück in Rotwein gereifter Ziegenkäse vom spanischen Feinkosthändler. Auswählen, anklicken und ab mit dem Einkaufswagen zur Kasse. So weit, so einfach. Dort allerdings werden aus den 15,68 Euro plötzlich 41,38 Euro. Warum? Ein genauerer Blick auf die Rechnung zeigt: Alle gewählten Produkte stammen von verschiedenen Händlern. Amazon ist kein Supermarkt, sondern ein Einkaufszentrum, dass verschiedenen Anbietern eine Plattform bietet. Das erklärt das riesige Angebot - und die hohen Kosten. Denn jeder Händler kassiert für den Versand extra. Die Pressestelle rät daher, nur bei einem Anbieter zu bestellen. Also zurück auf Start. Und tatsächlich, bei den Anbietern in der linken Leiste steht sogar Amazon selbst zur Auswahl. Gut, das reduziert das Angebot auf 4799 Produkte. Auch dass es statt Frischfleisch nur noch Bockwurst aus der Dose gibt, ist zu verschmerzen. Bloß kann man davon nicht eine Dose bestellen, sondern muss gleich zehn nehmen. Müsli? Im Sechserpack. Butterkekse? Nur mal 20. Ich verlasse das Einkaufzentrum Amazon wieder - mit leerem Wagen.

Froodies - ein Riesenpaket am nächsten Tag

Froodies: Zum Glück ist der nächste Supermarkt, der ein Komplettsortiment aus 5000 Waren hat, nur einen Mausklick entfernt. Froodies ist einer der Anbieter, denen auch Amazon eine Plattform bietet. Neben ansprechenden Bildern von frischem Obst, Fisch und Milchprodukten verspricht die Seite nicht weniger als mir ein Stückchen Lebensqualität im Alltag und Zeit für die wirklichen wichtigen Dinge im Leben zu schenken. Keine Parkplatzsuche, keine Warteschlange an der Kasse, und die Waren schleppt mir jemand nach Hause. Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts Phaydon gelten deswegen junge Berufstätige, Mütter und ältere Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, als potenzielle Zielgruppen im Online-Supermarkt.

Tatsächlich ist der Einkauf angenehm entspannt. Es gibt frische Kräuter, verschiedene Käsesorten und sogar Eis! Bei jeder Ware, die ich in den Einkaufswagen lege, werden mir weitere Produkte vorgeschlagen, die offenbar zu meinem Einkaufsverhalten passen. "Möchten Sie vielleicht nochBananen?" Warum nicht. Nachdem ich meine Adresse eingegeben habe, ist das Walnuss-Eis aber plötzlich wieder aus dem Einkaufswagen verschwunden. An diesen Ort nicht lieferbar. Wegen Kühlprodukten (Kühlzuschlag: 3 Euro) wie Joghurt und Käse wird mir der Expressversand empfohlen (9,90 statt 6,90 Euro). Wie per E-Mail versprochen, steht die Bestellung einen Tag später vor meiner Tür - einem tagsüber anwesenden Nachbar sei Dank. Das Riesenpaket erschlägt ebenso wie die Menge an Verpackungsmaterial, in dem die eine Banane, die Schokoladentafel sowie Wurst und Käse (in einer kleinen Styroporkühlbox) geliefert werden. Nichts ist geschmolzen, matschig oder schlecht geworden. Aber der Mülleimer quillt nach dem Auspacken über.

Food-Shop 24 - lässt sich Zeit

Food-Shop24: Der 24-Stunden-Supermarkt wurde wegen guten Services und zuverlässiger Lieferung im Juli Testsieger beim Portal Getestet.de. Statt hübschen Fotos der 7000 Produkte stehen die Marken im Vordergrund. Von manchen Produkten fehlen die Bilder komplett, was vom Einkauf abschreckt. Aber frisches Krustenbrot vom Bäcker, Bioeier (die man jedoch nur "auf eigene Gefahr" bestellen kann) und Eisbergsalat überzeugen - wobei Letzterer plötzlich für 107,52 Euro auf der Rechnung auftaucht. Ein Kommafehler?

Anders als bei Froodies entscheide ich mich gegen den teureren Express-Versand. Das normale DHL-Paket (6,90 Euro) ist dann auch nicht einen, sondern erst vier Tage nach der Bestellung bei mir - an einem Wochenende, an dem ich unterwegs bin. Am Montag erwartet mich matschiger Salat, ein zerbrochenes Ei und angeschmolzene Butter in der Kühlbox. Am liebsten würde ich das Paket wieder zurückschicken. Aber geht das rechtlich überhaupt? "Für frische, leicht verderbliche Produkte gibt es kein Widerrufs- und Rückgaberecht", sagt Heidi Schworm, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Nur direkt bei der Lieferung kann der Kunde die Annahme verweigern. Also bleibt der Kühlschrank leer und der Mülleimer füllt sich neben Verpackungsmaterial auch noch mit verdorbenen Lebensmitteln.

Edeka 24 - keine frischen Produkte

Edeka24: Für die letzte Bestellung wähle ich einen klassischen Lebensmittelanbieter. Im Vergleich zu meinem Edeka um die Ecke ist das Angebot begrenzt (keine frischen Produkte), die Preise aber ähnlich. Nachdem ich Mehl, Marmelade und Seife in den Warenkorb gepackt habe, fehlen immer noch 5,19 Euro bis zum Mindestbestellwert (9,99 Euro). Der Versand kostet dafür nur 3,95 Euro, dauert durchschnittlich aber drei Tage. Am vierten Tag, dem Samstag, trifft der Postbote weder mich noch meine Nachbarn zu Hause an. Das Paket hole ich am Montag von der Post ab. Auf dem Weg dahin komme ich an drei realen Supermärkten, darunter einem Edeka, vorbei. Zum Glück ist dieses Paket im Vergleich zu den anderen beiden recht klein. Es gibt wenig Verpackungsmaterial, auch, weil nichts Frisches oder Kühlbares bestellt wurde. Das Marmeladenglas ist trotzdem ganz, genauso wie die Mehltüte. Zudem gibt es ein Stück Seife extra, das nicht auf der Rechnung auftaucht - dafür aber die Schokolade nebenan im Päckchen parfümiert.

Unser Fazit

Fazit: Online-Supermärkte werben damit, dass ihre Kunden dank Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten und Heimlieferung flexibel, bequem und schnell einkaufen können. In der Praxis funktioniert das nur bedingt. Klar kann man auch noch mitten in der Nacht bestellen. Zumindest beim ersten Mal dauert das mit Registrierung aber deutlich länger als im realen Supermarkt, der inzwischen ohnehin oft bis spät in den Abend geöffnet hat - selbst auf dem Land. Und der Bring-Service funktioniert zwar bei allen Anbietern im Rahmen der angegebenen Lieferzeiten. Da diese aber oft eine Spannweite von mehreren Tagen umfassen, sollte man nicht mit leerem Kühlschrank darauf warten und besser nicht berufstätig sein. Sonst landet das Paket in der nächsten Postfiliale und man muss den Einkauf wieder nach Hause schleppen. Zumindest die nicht frischen Produkte liefern alle getesteten Anbieter in gutem Zustand - dank unverhältnismäßig viel Verpackungsmaterial, das wiederum das Porto in die Höhe treibt.

Vor allem diese Herausforderungen beim Versand sind es, die laut Experten dafür sorgen, dass erst 15 Prozent der Deutschen ihre Lebensmittel online kaufen. "In Ländern wie Großbritannien sind die Margen im Lebensmitteleinzelhandel höher, deswegen können die Anbieter den Kunden dort eher einen kostengünstigen Versand bieten", sagt Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels. Bei der deutschen Discount-Kultur rechnet sich das allenfalls bei Großbestellungen oder bei Delikatessen, die eine höhere Gewinnspanne haben. "Um den Verkauf anzukurbeln, müsste man Online-Bestellungen mit dem Abholen der Produkte in nahe gelegenen Geschäften kombinieren, wie es in England schon geschieht", sagt Adrian Hotz vom Institut für Handelsforschung in Köln. Dann aber kann man den Einkaufswagen gleich wieder selbst durch die Gänge schieben.