Lars Reichow bei einem Auftritt 2022. Foto: Simon Granville/Simon Granville

Der „Klaviator“ Lars Reichow gibt im Theaterhaus sein Musikkabarett zum Besten – nicht ohne Selbstironie und politische Seitenhiebe. Auch Stuttgart bringt ihn in besonderer Hinsicht zum Staunen.

Im Gegensatz zu Kabarettisten, die glauben, nun auch noch singen zu müssen, ist es bei Lars Reichow umgekehrt. Er kommt von der Musik her, hat sie wie auch Musikwissenschaften und Germanistik sogar studiert. Eine Kombination, die geradezu nach einem Lehrberuf schreit, den er eine Zeit lang am Gymnasium tatsächlich ausübte. Nebenbei aber widmete sich Reichow immer mehr der Bühnenarbeit, mit immer größeren Erfolgen, belegt durch zahlreiche Preise, Hörfunk- und Fernsehaktivitäten, wobei als Höhepunkt für einen gebürtigen Mainzer vielleicht die Auftritte als „Nachrichtenmoderator“ in „Mainz bleibt Mainz“ zu sehen sind. Selbst für einen der SPD Nahestehenden, wie zu lesen ist, der 2017 als Wahlmann für den Bundespräsidenten auserkoren wurde.

„Lassen Sie die Musik weg.“

Der politische Anteil in Reichows Best-of-Programm „Musik! – Songs aus meinem Leben“, das in der T2-Halle des Theaterhauses am vergangenen Freitagabend zur Aufführung kommt, ist dann doch gering, wenn man von eher bemühten Sprüchen über Aiwanger, Söder und Scholz – „Niemand fällt beim Joggen aufs Auge!“ – oder dem fast ernsthaften Werben für Wärmepumpen und Elektroautos absieht. „Man kann doch auch in Deutschland glücklich sein“, heißt es in einem Lied. Und ja, es sind mehr die Zwischentöne, die verfangen, wenn der „Klaviator“ so vom Stehtisch zum Flügel hin und her huscht. Seine Songs spielen mit Blues-Elementen und klassischen Etüden, perlen mit auch schnellen Wechseln treppauf, treppab und erreichen manchmal Hymnenhaftes. Dabei habe ihm ein an sich begeisterter „Einstecktuchverleger“ mal gesagt: „Wenn ich Ihnen noch einen Tipp geben darf: Lassen Sie die Musik weg.“

Und: Schalten Sie das Hörgerät aus, wie man im Theaterhaus sagen muss. Im ersten Teil ist Lars Reichow sichtlich irritiert von zirpenden Frequenzen im Ohr, bis in der Pause der Verursacher gefunden und das Störgeräusch verschwunden ist. Dies dient dem Entertainer zu weiteren (selbst-)ironischen Momenten, die sein Programm grundsätzlich auszeichnen. In den Liedern mit kleinen Brüchen, wenn’s dann doch zu romantisch werden könnte. In den Erzählungen mit Running Gags wie „ich bin wirklich ein sehr guter Autofahrer“ aus einer Wohnmobil-Reise durch Norwegen. Besser zündet eine Art Rezitativ über einen im Notfall herbeigerufenen Installateur unter Abzocker-Generalverdacht, vom meisten Applaus bestätigt.

In großen zusammenhängen denken

Wie sagt Reichow? Man müsse in größeren Zusammenhängen denken und nicht Themen bearbeiten, bei denen sich beispielsweise nur Briefmarkensammler angesprochen fühlen. Dies gelingt ihm auch gut mit Liedern über Boomer, er selbst ist Jahrgang 64, oder über Apps („An App a Day keeps Google away.“) Reichows Karriereplanung ist ebenso in einem größeren Kontext zu sehen. In Stuttgart sei er besonders gerne, wegen der „Ausgelassenheit“ des Publikums und weil er staune, wie sich die Stadt entwickle, vor allem unterirdisch. Er kommt also wieder, wie er vor Solidaritätsaufrufen für die Ukraine und Israel verkündet: „Am 30. Januar – im nächsten Jahr“.