Jürgen Weisser ist sich sicher, dass er trotz der riesigen Sammlung historischer Landmaschinen nicht unter die Räder kommt. Foto: Peter Petsch

Als neuer Chef des Deutschen Landwirtschaftsmuseums der Uni Hohenheim ist Jürgen Weisser für eine grandiose Sammlung verantwortlich. Aber auf den Historiker wartet Arbeit.

Stuttgart – Als neuer Chef des Deutschen Landwirtschaftsmuseums der Uni Hohenheim ist Jürgen Weisser für eine grandiose Sammlung verantwortlich. Aber auf den Historiker wartet Arbeit.

Hand aufs Herz, Herr Weisser – wie viele Kilometer Fahrpraxis auf einem Trecker braucht man für den Job im Landwirtschaftsmuseum?
Keinen.

Sie machen Bauerngeschichte ohne Stallgeruch?
Eigentlich kommt es nicht auf die Kilometer an, sondern auf die Zeit, die man bei Wind und Wetter auf einem Metallsitz verbracht hat. Körperlich hart gearbeitet habe ich nie. Weil es immer weniger gibt, die sich dank des agrartechnischen Fortschritts auf dem Feld abrackern müssen, braucht es wenigstens einen, der Landwirtschaftsgeschichte dokumentiert. Das kann ich.

Sie waren immerhin lange Chef eines bäuerlichen Freilichtmuseums im Schwarzwald.
Das hat meiner Bewerbung wahrscheinlich nicht geschadet. Der Uni war aber auch ein Museumsmensch wichtig.

Ihr Vorgänger Klaus Herrmann war leidenschaftlicher Sammler. Die Hallen des Museums quellen über vor historischen Vehikeln. Wann beginnen Sie, zu entrümpeln?
Entrümpelt wird bei uns überhaupt nicht. Klaus Herrmann hat uns eine fantastische Sammlung von europäischem Rang hinterlassen. Kein Exponat wird weggeworfen. Unsere Aufgabe ist es, zu sichten, zu katalogisieren, die Schau didaktisch neu zu ordnen und uns ein größeres Magazin für Exponate zuzulegen, die nicht ständig gezeigt werden.

Sie haben während Ihres Studiums als Puppenspieler am Film „Die unendliche Geschichte II“ mitgewirkt. Als solche könnte sich auch Ihre Aufgabe hier entpuppen.
Man könnte es Lebensaufgabe nennen.

Hätte Ihr Vorgänger mehr machen können?
Bei Museumsmachern sammelt die erste Generation – ohne Sammlung kein Museum –, und die zweite Generation ordnet.

"Landwirtschaftsmuseum soll zu einer Marke werden"

Das Sammeln lassen Sie dann bleiben?
Wir sammeln natürlich weiter. Wer glaubt, dass in seiner Scheune etwas Interessantes vor sich hin staubt, darf sich gern an uns wenden, sollte aber nicht enttäuscht sein, wenn wir sagen: Das haben wir schon. Historische Schätze findet man heute viel seltener als vor 20 Jahren.

Wie wollen Sie Ihre Lebensaufgabe angehen?
In unserem Haupthaus an der Garbenstraße wird wahrscheinlich kein Stein auf dem anderen bleiben. Dort soll eine familienorientierte Präsentation über Landwirtschaft, die Entwicklung der Agrartechnik und Ernährung entstehen. In unserer Schausammlung an der Filderhauptstraße schaffen wir eine neue, klar beschilderte Führungslinie.

Und Ihr weiterer zeitlicher Rahmen?
In fünf bis zehn Jahren soll das Landwirtschaftsmuseum zu einer Marke werden. Wer an Landwirtschaftsgeschichte und Agrartechnik denkt, dem muss zuerst Hohenheim einfallen.

Dazu müssen Sie junge Leute, die bei Internetspielen wie „My Free Farm“ virtuelle Tiere füttern, vom Rechner weglocken.
Das funktioniert über Museumspädagogik. Kinder und Jugendliche sollen mit ihren Schulklassen hier ein tolles Erlebnis haben und mit den Eltern wiederkommen. Da gehört dazu, dass man mal auf einem Traktor sitzen kann, selbst Butter schlägt und Ähnliches.

Der Hohenheimer Feldtag hat 2011 zum letzten Mal stattgefunden. Ihn wiederzubeleben könnte dabei helfen.
Die technikorientierten Feldtage waren geprägt von Klaus Herrmann und von Professor Karlheinz Köller vom Institut für Agrartechnik. Es wird sie in dieser Form nicht mehr geben. Auf ähnliche Veranstaltungen verzichten wir nicht, wir werden dabei aber nicht nur auf Technik, sondern auch auf agrar- und kulturgeschichtliche Aspekte eingehen. Zum Beispiel am 14. September beim 1. Hohenheimer Kartoffeltag, an dem wir neben Landtechnik auf dem Feld auch über 100 Kartoffelsorten im Museum vorstellen werden.

Bei den Feldtagen hat Ihr Vorgänger die Traktoren gerne selber gesteuert. In der Beziehung überholt er Sie locker.
Das ist aufzuholen. Klaus Herrmann war hier 24 Jahre lang Chef. Ich schätze, nach 24 Jahren habe auch ich Routine auf dem Traktor. Gewisse Anlagen dazu sind bei mir durchaus vorhanden.

Erzählen Sie.
Als Kind war ich mal mit meinem Vater hier. Ich war erstaunt darüber, was er mir alles erklären konnte. Da habe ich erfahren, dass unsere Familie bäuerliche Vorfahren hatte. Stallgeruch ist also durchaus da.