Die Landwirte atmen vorerst auf. Das Europaparlament hat sich dagegen ausgesprochen, den Einsatz von Pestiziden drastisch zu reduzieren. Foto: dpa/Patrick Pleul

Die Abgeordneten stimmen in Straßburg dagegen, die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren.

Abstimmungen im Europaparlament sind eine sehr stupide Angelegenheit. Doch am Mittwoch brandete in Straßburg nach knapp über einer Stunde plötzlich Applaus auf. Eine große Mehrheit der Parlamentarier hatten gegen einen Gesetzentwurf gestimmt, mit dem die Nutzung von Pestiziden auf Ackerflächen, Grünstreifen und in Parks bis 2030 um die Hälfte reduziert werden sollte.

Sarah Wiener war nach dem überraschenden Votum das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Sie sprang von ihrem Sitz auf und stürmte ans Saalmikrofon. „Das ist ein schwarzer Tag für die Landwirte“, sagte die Europaparlamentarierin der Grünen, die sich als federführende Berichterstattung der Verordnung über viele Monate für die Reduzierung verkämpft hatte. Sarah Wiener forderte ihre Kollegen auf, das Thema weiter im Parlament zu verhandeln, was aber mit knapper Mehrheit ebenfalls abgelehnt wurde.

Großes Entsetzen trifft auf lauten Jubel

Auf der Gegenseite herrschte hingegen Freudenstimmung. „Sensationell,“ schrieb der CDU-Politiker Peter Liese nur Sekunden nach der Abstimmung auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). „EU-Parlament versenkt die Pflanzenschutzmittelverordnung. Landwirte können erst einmal aufatmen.“

Die Pläne sahen vor, dass Landwirte bis 2030 die Verwendung chemischer Pestizide um mindestens 50 Prozent senken müssen. Die Kritiker der Pläne betonen jedoch, dass die Bauern derzeit nicht genügend Alternativen hätten. Sie fordern etwa, den Pestizideinsatz erst 2035 zu halbieren und warnten vor zu hohen Einschränkungen für Landwirte.

Harsche Kritik von von den Landwirten

Die EU müssen sich entscheiden, welchen Weg sie gehen wolle, hatte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, den Politikern vor der Abstimmung auf den Weg gegeben. Wolle sie „die landwirtschaftliche Erzeugung in Europa durch überzogene Vorgaben reduzieren und gleichzeitig die Importe erhöhen oder einer nachhaltigen Landwirtschaft Perspektiven aufzeigen, die die Ernährung in Europa sicherstellt“? Die EU-Kommission stellt die Lage allerdings anders dar. Sie sieht eher im bisherigen Einsatz der Chemikalien ein Risiko für die Ernährungssicherheit. „Weitermachen wie bisher gefährdet die natürlichen Ressourcen, unsere Gesundheit, das Klima und die Wirtschaft“, heißt es aus Brüssel.

Vor allem bei den Konservativen im Europaparlament war der Widerstand gegen die geplante Pestizid-Verordnung zuletzt immer größer geworden. „Wir müssen Lösungen gemeinsam mit und nicht gegen die Landwirtschaft finden“, erklärte der CDU-Abgeordnete Norbert Lins nach dem Votum in Straßburg sichtlich zufrieden. Die EU-Kommission könnte nun einen neuen Vorschlag für das Gesetz machen. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Das Umweltprojekt liegt nun auf Eis

Jutta Paulus, Abgeordnete der Grünen, beklagte am Mittwoch, dass „ein zentrales Vorhaben des Green Deal vorerst gestoppt“ worden sei. Da im Juni 2024 Europawahlen stattfinden, wird das Umweltgesetz frühestens Ende kommenden Jahres wieder auf die Tagesordnung kommen. Peter Liese sieht darin jedoch kein Problem. „Jetzt besteht die Chance, in der nächsten Legislaturperiode von Kommission und Parlament ein vernünftiges Konzept in Kooperation mit der Landwirtschaft zu erarbeiten“, erklärte der CDU-Politiker.

Das Votum im Parlament ist der zweite Rückschlag für die Umweltschützer innerhalb weniger Tage. Zuletzt war der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat in der EU für weitere zehn Jahre zugelassen worden. Das wurde von der EU-Kommission entschieden, nachdem sich die EU-Staaten nicht einigen konnten. Die derzeitige Zulassung wäre Mitte Dezember ausgelaufen.