Vier Ex-Sicherungsverwahrte wollen Schmerzensgeld für die Jahre, die sie zu Unrecht unfrei waren.

Karlsruhe - Vier frühere Sicherungsverwahrte versuchen seit Dienstag, Schmerzensgeld zu erstreiten für die Jahre, die sie zu Unrecht in Sicherungsverwahrung verbracht haben. Dass die Männer Anspruch auf Entschädigung haben, wurde bereits zum Prozessauftakt vor dem Karlsruher Landgericht deutlich. „Der Freiheitsentzug war rechtswidrig und verstieß gegen die europäische Menschenrechtskonvention“, sagte Richter Eberhard Lang. Damit bestehe ein Schadensersatzanspruch. Fraglich sei, wer zahlen müsse.

Das Verfahren ist eine Premiere in Deutschland. Zum ersten Mal wird die Frage verhandelt, ob und wieviel Schmerzensgeld verurteilten Straftätern zusteht, die nach ihrer verbüßten Haftstrafe zu lange in Sicherungsverwahrung waren. Auf Entschädigung verklagt wird das Land Baden-Württemberg. (Az.: 2 O 278/11, 2 O 279/11, 2 O 316/11 und 2 O 330/11. Die vier Kläger fordern zwischen rund 74.000 und 155.000 Euro - insgesamt rund 400.000 Euro. Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts lehnte das Land zunächst ab.

Erhebliches Verschulden des Landes?

„Ich sehe ein erhebliches Verschulden des Landes“, sagte Rechtsanwalt Ekkehard Kiesswetter, der drei Mandanten vertritt. Die Gerichte und auch die betroffenen Justizvollzugsanstalt hätten schlicht keine Lust gehabt, sich mit der Problematik zu befassen.

Hintergrund des Verfahrens ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die Straßburger Richter hatten im Dezember 2009 entschieden, dass Sicherungsverwahrung über ein Höchstmaß von zehn Jahren hinaus rechtswidrig ist. Genau das nämlich war den Männern zwischen heute 55 und 65 Jahren widerfahren. Bevor ihre zehnjährige Sicherungsverwahrung ablief, ermöglichte 1998 ein neues Gesetz in Deutschland plötzlich die unbefristete Sicherungsverwahrung. Die Männer blieben zwischen acht und zwölf Jahren zusätzlich in Haft.