Im großen Saal des Landgerichts muss der Zustand eines Mannes geklärt werden, der in einer Hechinger Gaststätte randalierte. Foto: Stopper

Darf er in Freiheit leben? Kann er das überhaupt? Oder ist er eine Gefahr für seine Mitmenschen und muss in die geschlossene Psychiatrie – um mehr als die Frage nach Schuld und Sühne geht es derzeit für einen 31-Jährigen vor dem Hechinger Landgericht.

Hechingen - Bedrohung, Sachbeschädigung, weitere Delikte – die eigentlichen Strafvorwürfe sind fast Nebensache in diesem Prozess. Was passiert ist, ist klar und wird vom Beschuldigten nicht abgestritten. Es sind Vorwürfe, die normalerweise nicht in den Landgerichtssaal führen, in dem sonst auch buchstäblich Mord und Totschlag verhandelt werden. Zu klären ist in diesem Fall, ob die Taten in einem krankhaften psychischen Zustand erfolgten, sodass der Beschuldigte für sie gar nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ob die Gefahr besteht, dass sich so etwas wiederholt? In einem Sicherungsverfahren wird nun geklärt, ob es am Ende zur Einweisung in ein geschlossenes psychiatrisches Krankenhaus kommt. Ein Eingriff in das Menschenrecht auf Freiheit, den sich der Staat hier offensichtlich nicht leicht macht. Ein ganzes Gremium, das aus Richter Hannes Breuker, weiteren Richtern und Schöffen besteht, will in einer mehrtägigen Verhandlung herausfinden, was hier die richtige Verfahrensweise ist.

Flasche an Auto zertrümmert

Relativ einfach ist in diesem Fall die Feststellung des strafrechtlichen Tatbestands, weil der Beschuldigte im Prinzip alles einräumt, was ihm vorgeworfen wird. Es geht um zwei Situationen. Vor etwa zwei Jahren randalierte der Mann in einer betreuten Wohngruppe und leistete auch beim Eintreffen der Polizei Widerstand. Im anderen Fall im vorigen Jahr hielt er Wirtshausgäste im Bereich der Johannesbrücke in Atem. In eine Gaststätte, wo er bereits Hausverbot hatte, drang er ein, wischte mit einer Weinflasche Sachen von der Theke, zertrümmerte die Flasche draußen an einem Auto, warf Steine gegen Gebäude, bedrohte schließlich Leute und die eintreffende Polizei mit einem Messer. Die Polizeibeamten klärten die Sache damals sehr umsichtig, machten das Seitenfenster am Streifenwagen nur einen Schlitz weit auf und spritzten ihm Pfefferspray ins Gesicht. Der Mann war dann leicht zu überwältigen.

Die Freundin verließ ihn

Aber warum war er so ausgerastet? Seine Befragung eröffnete den Blick in ein schwieriges Leben. Mit sechs Jahren kam er mit seiner Familie aus Kasachstan nach Deutschland. Früh hörte er Stimmen in seinem Kopf, hatte Halluzinationen. Seine Familie, in der er sich wohl fühlte, zerbrach, als sein Vater starb. Immerhin, im Turnverein fand er Halt, wurde sogar Übungsleiter. Aber mit der Mutter und der Schwester brach er, den Hauptschulabschluss schaffte er gut. Aber nach zwei Jahren Bundeswehr der steile Absturz. Eine Ausbildung zum Kaufmann brach er ebenso ab wie eine Ausbildung zum Stuntman. Die Freundin verließ ihn. Alkohol, Depression, Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken, am Ende landete er in einem Zimmer, das ein Gastwirt vermietet. Zu beachtlichen 520 Euro Miete pro Monat, bezahlt von den Sozialbehörden.

Depressionen, Selbstmordgedanken, psychische Probleme

Warum er am Ende in diesen Abwärtsstrudel kam? Depressionen, Selbstmordgedanken, psychische Probleme begleiten ihn schon lange, erzählte er vor Gericht. Der Ausbruch der Corona-Pandemie habe alles verschlimmert, sodass bei ihm "alles nicht mehr geklappt habe". Kontaktbeschränkungen sind für Menschen mit psychischen Erkrankungen besonders schlimm. Sie brauchen Normalität. "Seit Corona ging mein Leben jedenfalls den Bach runter", erzählte er.

Am Montag ging es dem Gericht um die Aufklärung dessen, was sich in dem Gasthaus zugetragen hatte, nächste Woche wird dann der Vorfall in der betreuten Wohneinrichtung aufgeklärt. Zentral aber wird das werden, was der Sachverständige zum psychischen Zustand der Beschuldigten in seinem Gutachten sagen wird.