Gutachter sieht im Prozess gegen den falschen Dr. Schenk kein psychiatrisches Krankheitsbild.

Stuttgart - Sascha S., alias Dr. Sascha Schenk, ist schuldfähig. Der richtige Dr. Peter Winckler, psychiatrischer Gutachter in dem Prozess gegen den 27-jährigen Hochstapler, sieht bei dem falschen Dr. Schenk kein psychiatrisches Krankheitsbild. Der Angeklagte habe narzisstische Größenfantasien ausgelebt. "Es ging darum, sich selbst zu inszenieren. Das Geld spielte eine untergeordnete Rolle", so der Sachverständige.

Im Jahr 2008 habe der junge Mann, der als angeblicher Narkose- und Notfallarzt Klinikchefs in München und in Horb im Kreis Freudenstadt genarrt hatte, allerdings eine massiv gestörte Persönlichkeit an den Tag gelegt. Damals hatte der Böblinger mit Hauptschulabschluss, aber ohne Berufsausbildung seine Ex-Freundin mit Telefonterror belegt, sie eingeschüchtert und sie verunglimpft. Das hörte erst auf, als die Frau ihn anzeigte. "An so was kann das Opfer kaputtgehen", sagt Gutachter Winckler. Dieses Stalking sei das "massive Ausagieren narzisstischer Wut" gewesen - mit einer bösartigen, fiesen Komponente.

Von echter Selbstkritik sei der 27-Jährige offensichtlich noch weit entfernt. "Da stehen einem ja die Haare zu Berge, wenn man überlegt, was da hätte alles passieren können", so Winckler.

Sascha S. hatte als Dr. Sascha Schenk 161 Patienten behandelt. Zuvor hatte sich der Rettungshelfer mit gefälschter Zulassung als Narkosearzt, mit einem selbst gebastelten Lebenslauf und der Zusatzqualifikation als Notfallmediziner ausgestattet - alles aus dem Internet heruntergeladen und manipuliert.

Einsätze gefahren - ohne Führerschein

Schon früh habe der Angeklagte ein Faible für das Rettungswesen entwickelt und beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Böblingen eine Ersatzfamilie gefunden. "Die Katastrophe eines schweren Unfalls als Lebenselixier", so Winckler. Weil Sascha S. bereits sechs Vorstrafen wegen Betrugs habe, falle die Prognose bei ihm nicht unbedingt positiv aus. Für Betrüger gebe es keine Therapie, keine Behandlung.

"Betrüger sind das Schreckgespenst aller Therapeuten", sagt Dr. Peter Winckler. Aber psychisch krank sei der 27-Jährige nicht.

"Sie haben sich total überschätzt", hält Oberstaatsanwalt Hans-Otto Rieleder dem Möchtegern-Arzt vor - vor allem bei seinen Einsätzen als Notarzt. Es sei allerdings auch erschreckend, wie leicht es dem jungen Mann gemacht worden sei. Die Verwaltung des Krankenhauses in Horb habe damals Bedenken angemeldet, weil Dr. Sascha Schenk eigentlich zu jung für alle seine angeblichen Qualifikationen gewesen sei. "Das hat man von ärztlicher Seite beiseitegewischt, weil man in Horb dringend einen Notarzt brauchte", so der Ankläger. Er beantragt drei Jahre und neun Monate Gefängnis gegen Sascha S., unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Betrugs.

Verteidiger Jens Rabe schließt sich an. Das Strafmaß war vereinbart worden, weil sein Mandant ein Geständnis abgelegt hatte. "Mich hat fasziniert, wie leicht man ein falscher Arzt werden kann", sagt Rabe. Das gehe schon beim DRK los, wo Sascha S. Einsätze gefahren habe - ohne Führerschein. "Ich habe Vertrauen missbraucht, es tut mir leid", sagt der Angeklagte. Das Urteil wird am Freitag verkündet.