Wie gut sind die Deutschen aus Russland in Lahr integriert? Was fühlen sie, wenn man Lahr als "Russen-Stadt" bezeichnet, wie es außerhalb der Stadtmauern noch teilweise zu hören ist? OB Müller hatte diesen Begriff zuletzt mehrfach benutzt und unsere Zeitung hat ihn aufgegriffen. Jetzt gab es eine offene Aussprache mit vielen Anregungen am runden Tisch in Langenwinkel. Foto: Braun

"Wir haben Lahr mitgestaltet"

Lahr - Einen Sturm der Entrüstung gab es in Kreisen von Deutschen aus Russland, weil Lahr als "Russen-Stadt" bezeichnet und von einem Negativ-Image gesprochen wurde. Nun gab es eine Aussprache. Und viele gute Anregungen.

Ein paar wenige Worte, die fehlen, können gewaltige Auswirkungen haben. Das stellte unsere Redaktion nun fest, als es um einen Vorbericht zur Landesgartenschau ging. Darin wurde Oberbürgermeister Müller indirekt zitiert, der Lahr zuletzt mehrfach öffentlich als "Russen-Stadt" bezeichnet hatte. Müller meint damit das Etikett, das der Stadt auch 20 Jahre nach der erfolgreichen Integration der Zuzügler auswärts oftmals noch immer anklebe. Zu Unrecht anklebe.

Wir hatten diesen Begriff im LGS-Vorbericht verwendet, aber bedauerlicherweise versäumt, zu erwähnen, dass dies eben eine Außensicht darstelle. Und keinesfalls die Meinung der Redaktion ist. Jetzt kam es zur offenen Aussprache mit Mitgliedern der Landsmannschaft in den Räumen des Unternehmerverbandes bei der Firma K&R Transporte in Langenwinkel. Koordiniert wurde das Treffen vom Landesvorsitzenden des Netzwerks für Spätaussiedler, Ernst Strohmaier.

Vorweg: Es war eine gute Atmosphäre, trotz des brisanten Themas. Deutlich und offen schilderten die Deutschen aus Russland unserer Redaktion ihre Stimmung. "Wir sind hier doch bestens integriert, haben Freunde aus vielen Kulturen und Nationalitäten, arbeiten in vielen Betrieben ganz selbstverständlich zusammen, machen die Fasent mit, gehen auf’s Oktoberfest und vieles mehr. Was soll also dieses ständige Auseinanderdividieren? Wir sind Lahrer, fertig!" So brachte es Johannes Erling, ein junger Mann, auf den Punkt. Ein anderer Lahrer mit Wurzeln in Russland meinte: "Wir haben die Schnauze voll, immer der Feind zu sein! Wir sind ganz einfach Deutsche!"

Andere pflichteten ihnen bei. "Lahr ist unsere Heimat. Hier leben wir, unsere Familien, unsere Enkelkinder. Wir haben Lahr mitgestaltet", erklärte eine ältere Dame. Auch Waldemar Held, der örtliche Vorsitzende der Landsmannschaft, unterstrich, dass sie längst Teil der hiesigen Gemeinschaft geworden seien.

Eine junge Frau machte in sehr persönlichen Worten und Schilderungen deutlich, wie sehr sie unter Vorurteilen gelitten habe, die Russlanddeutschen einst entgegengeschlagen seien, als sie hier ankamen. "Da mussten wir ganz schön was aushalten. Aber wir haben es ausgehalten und uns trotz allen Nackenschlägen positiv entwickelt."

In den vielen einzelnen Wortbeiträgen wurde deutlich, dass es so manche Punkte gibt, die den Deutschen aus Russland auch nach 20 Jahren Integrationsarbeit unter den Nägeln brennen. Landesvorsitzender Ernst Strohmaier regte deshalb an, bald ein Treffen zu arrangieren, bei dem seine Landsleute in größerer Runde als jetzt in Langenwinkel miteinander diskutieren sollten. Es soll im Juni stattfinden und unsere Redaktion wird diese Zusammenkunft redaktionell begleiten. Klar ist: Da warten noch viele interessante Themen.

Info: Top-Kräfte

Auch der Schwanauer Fachmann für Tunnelbau-Maschinen, Martin Herrenknecht, macht sich für die Deutschen aus Russland stark. "Wir sind überglücklich, diese Spätaussiedler als Arbeitskräfte im Büro, als Angestellte oder Ingenieure bei uns zu beschäftigen." Die Deutschen aus Russland seien "bestens integriert und leisten hervorragende Arbeit". Die Eingliederung dieser Menschen sei "als großer Erfolg für unsere Region zu bewerten".