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Anwohner sehen Fortschritte beim Lärmschutz – Bewährungsprobe steht aber noch bevor.

Stuttgart - Carola Freimann steht vor dem Fenster ihrer Wohnung in der Reichenbachstraße in Bad Cannstatt und schaut hinüber zum Wasen. Es ist ein lauer Frühlingsabend. Auf dem Rummel blinken die bunten Lichter der Fahrgeschäfte. Der Wind treibt einen gedämpften Klangteppich aus Musik, Wortfetzen und dem Surren von Kettenkarussell und Co. herüber.

Die Entfernung zum Wasen beträgt kaum 200 Meter. Doch selbst bei geöffnetem Fenster ist eine Unterhaltung problemlos möglich. „Wir haben den Eindruck, es ist deutlich leiser geworden“, sagt Carola Freimann, und ihre Mitstreiterinnen Andrea Knieß und Regine Herdecker nicken. Die drei sind Sprecherinnen der Bürgerinitiative Veielbrunnen, der etwa drei Dutzend Anwohner angehören.

Was sie eint, ist der Kampf gegen den Lärm, den Veranstaltungen auf dem Neckarpark und auf dem Wasen verursachen. Über einen Anwalt haben sie mit einer Klage gedroht für den Fall, dass die Stadt die vorgegebenen Lärmwerte nicht durchsetzt. 80 Dezibel in der Mitte der Straße zwischen den Fahrgeschäften und Zelten – mehr dürfen es nicht sein. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Überschreitungen gekommen. Messungen der Stadt auf dem Volksfest im Herbst hatten Werte bis zu 100 Dezibel ergeben.

Auf dem Gelände möglichst viele Wohnungen gewünscht

Der Erfolg in der Lärmbekämpfung ist auch entscheidend dafür, wie viel Wohnungen letztlich auf dem ehemaligen Areal des Güterbahnhofs entstehen sollen. Geplant waren bis zu 450, angesichts der befürchteten Beschwerden wegen der Lautstärke von VfB-Spielen, Volksfest und Open-Air-Konzerten forderten Teile des Gemeinderats zuletzt, die Zahl der Einheiten auf 100 zu reduzieren. Carola Freimann wünscht sich auf dem Gelände so viele Wohnungen wie möglich und schwärmt regelrecht von der Lage. „Für Leute, die urbanes Wohnen mögen, ist das optimal“, sagt sie. Wilhelma, große Spielplätze, Einkaufsmöglichkeiten – all das sei zu Fuß zu erreichen.

Knapp eine Woche ist das Frühlingsfest alt. Entspannung in Sachen Lärm ist in Sicht. Schon jetzt deutet sich an, dass die von der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart umgesetzten Instrumente zur Begrenzung des Lärms Wirkung zeigen. Neben regelmäßigen Messungen in den Zelten, zwischen den Buden und im Wohngebiet zählen dazu sogenannte Lautstärkebegrenzer. Sie kommen bei 33 Fahrgeschäften und Festzelten zum Einsatz und regeln die Außenbeschallung so ab, dass die 80 Dezibel nicht überschritten werden. Die Festwirte haben außerdem in diesem Jahr auf Lautsprecher vor den Zelten gänzlich verzichtet. „Wir sind auf einem guten Weg, die Maßnahmen greifen“, sagt Jörg Klopfer, Sprecher von in.Stuttgart.

„Wir nehmen das erfreut zur Kenntnis“

Vor wenigen Tagen hat Hans-Peter Grandl die Nachbarn auf eine Maß und ein Göckele zu sich eingeladen, um die Situation zu besprechen und zum Beispiel zu erklären, dass er die Außenbeschallung im Biergarten abgestellt hat. „Wir nehmen das erfreut zur Kenntnis“, sagt Carola Freimann. In Grandls Festzelt liegen außerdem Ohrstöpsel bereit. Eine Anlage misst permanent die Lautstärke, so dass die Grenzwerte nicht überschritten würden. „Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis ist uns wichtig“, sagt Hans-Peter Grandl. Tatsächlich sind beim Ordnungsamt bisher noch keine Beschwerden über Lärm eingegangen, sagt eine Sprecherin der Stadt. Dort will man warten, bis ein Gutachter die Messungen ausgewertet hat. Erst dann will die Stadt abschließend Bilanz ziehen.

Die große Bewährungsprobe steht jedoch noch bevor. Für das Wochenende sind sommerliche Temperaturen vorhergesagt. Der Wasen und die Zelte werden zum ersten Mal richtig voll. „Dann bekommen wir auch Erkenntnisse darüber, wie sich der von den Besuchern verursachte Geräuschpegel auswirkt“, sagt Jörg Klopfer. Das eigens hierfür beauftragte Ingenieurbüro wird wieder unterwegs sein, um den Lärmpegel an verschiedenen Punkten zu messen. Auch die Anwohner in den Wohnungen im Veielbrunnenweg und der Reichenbachstraße werden wieder besonders genau hinhören.