Sieht das Unternehmen gut aufgestellt: WMF-Chef Oliver Kastalio Foto: WMF

Der Geislinger Küchengerätehersteller steuert auf Wachstumskurs. Warum Preiserhöhungen drohen und Filialen auch in Zeiten des Online-Handels wichtig sind.

Geislingen - Der Küchengerätehersteller aus Geislingen will beim Thema Kaffee verstärkt bei Privathaushalten punkten. Bislang hat WMF, Weltmarktführer bei Kaffeevollautomaten für den Profibereich, keine entsprechenden Geräte für Verbraucher im Programm. „Doch spätestens im April sollen diese auf den Markt kommen“, sagte WMF-Chef Oliver Kastalio unserer Zeitung.

 

Die Produktion der ersten Kaffeevollautomaten für den privaten Gebrauch sei im Dezember angelaufen. Wegen Lieferproblemen bei Komponenten habe sich alles etwas verzögert, sagt Kastalio. Er will auch das WMF-Angebot mit Elektrokleingeräten ausweiten. Man habe den Vorteil, dass man auf die Technologieplattformen der Groupe SEB zurückgreifen könne, sagte er.

Der WMF-Chef weiß, wie der Mutterkonzern tickt

WMF gehört seit Ende 2016 zur Groupe SEB, einem weltweit führenden Hersteller von Elektrokleingeräten und Haushaltswaren mit Sitz im französischen Écully bei Lyon. Kastalio weiß genau, wie der Mutterkonzern tickt, denn er sitzt dort im Vorstand.

Das Geislinger Unternehmen sieht er gut aufgestellt, auch wenn es im professionellen Geschäft – dazu zählt das Geschäft mit professionellen Kaffeemaschinen und Hotelequipment – bisher noch keine weltweite, nachhaltige Erholung gebe. „2020 haben die Märkte sehr gelitten. Hotels und Restaurants waren langfristig geschlossen, Kreuzfahrtschiffe fuhren nicht, Flughafenlounges waren dicht“, sagte Kastalio. Die Erholung habe sich 2021 verzögert, wobei es große regionale Unterschiede gebe. „In Amerika wird investiert, sobald geöffnet ist, die Deutschen sind zurückhaltender“, sagte er. Eine Kaffeemaschine bedeute für einen Gastronomen eine Investition von bis zu 10 000 Euro und mehr. „Das ist vielleicht nicht das Erste, was man kauft, wenn man wieder öffnen darf.“

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Eine große Dynamik sieht der WMF-Chef in China sowie in Nordamerika. Das Geschäft mit professionellen Kaffeemaschinen sei ertragsstark. Obwohl in der Pandemie ein Drittel der Umsätze weggebrochen sei, habe man keine Verluste geschrieben. Auch das Konsumgeschäft – das reicht von Töpfen über Besteck bis zu Küchengeräten – wachse und sei profitabel. Die vom Mutterkonzern im Konsumgeschäft angestrebte Gewinnmarge (operatives Ergebnis bezogen auf den Umsatz) von zehn Prozent, werde man spätestens 2023 erreichen, sagt Kastalio.

Konkrete Zahlen nennt er nicht, denn die börsennotierte Groupe SEB veröffentlicht nur die Zahlen des Konzerns, zu dem neben WMF auch bekannte Marken wie Tefal, Rowenta, Moulinex oder beispielsweise Krups gehören.

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2020 war der Umsatz der Groupe SEB um 5,6 Prozent auf 6,94 Milliarden gesunken, 2021 ging es aber wieder deutlich aufwärts. In den ersten neuen Monaten stieg der Umsatz um mehr als 18 Prozent auf 5,57 Milliarden Euro. Fürs Gesamtjahr rechnet der Konzern mit mehr als 33 000 Mitarbeitern mit rund 14 Prozent Wachstum, wie es im Bericht fürs dritte Quartal heißt. Endgültige Jahreszahlen liegen noch nicht vor.

„Made in Germany ist wichtig“

Schätzungen zufolge macht WMF rund 20 Prozent des Konzernumsatzes aus und beschäftigt weltweit rund 7000 Mitarbeiter, davon knapp 2500 in Geislingen. Dort wurde 2020 die Kochgeschirr-Fertigung geschlossen und verlagert. Für Kastalio steht aber fest: „Made in Germany ist wichtig.“ Das bedeute nicht, dass man alles hier herstelle, aber bestimmte Kernprodukte schon. „In den letzten zwei Jahren haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und die Werke optimiert.“ Man stelle auch wieder ein. In Geislingen etwa sucht man an die 30 IT-Leute. An den WMF-Produktionsstandorten Geislingen, Riedlingen, Hayingen und Diez an der Lahn will er festhalten.

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Das Werk im tschechischen Domazlice nahe der Grenze zu Bayern soll massiv ausgebaut werden. Dort sollen dann für WMF und andere Marken der Groupe SEB Bauteile gefertigt werden, die sich in Hochlohnländern nicht wirtschaftlich fertigen ließen.

„Unsere Läden sind Visitenkarte des Unternehmens“

Fürs zweite Quartal 2022 kündigte Kastalio Preiserhöhungen an. „Wir kommen nicht drum herum, die Preise zu erhöhen – natürlich mit Vorsicht und Augenmaß“, so der WMF-Chef angesichts gestiegener Rohstoffpreise und Transportkosten, die im „hohen zweistelligen Bereich“ liegen.

Trotz vieler Unsicherheitsfaktoren sieht er enormes Potenzial für WMF. Auch an der Größenordnung von 155 Läden in Deutschland will er festhalten. Etwa fünf sollen geschlossen werden, weil die Lage nicht passt oder die Miete überzogen ist, anderswo sollen dafür wieder welche öffnen. „Unsere Läden sind die Visitenkarte des Unternehmens“, so der WMF-Chef, auch wenn die Frequenz in den WMF-Geschäften etwa 20 Prozent geringer ist als im Vorjahreszeitraum. Wegen der Corona-Einschränkungen sind weniger Menschen in den Innenstädten, und auch Touristen fehlen. Viele Konsumenten „erlebten“ im Laden das Produkt, bestellten dann aber im Internet.

Für Kastalio macht es keinen Unterschied, wo das Produkt gekauft wird, vielmehr ergänzten sich die Filialen und der Online-Handel. Künftig könnten sich Kunden übers Internet ihr Produkt auch vormerken lassen und im Laden anschauen und dann entscheiden, wo und wie sie es kaufen. „Wir werden da noch viel flexibler werden.“

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Geschichte der WMF beginnt vor fast 170 Jahren

Anfänge
1853 wird die Metallwarenfabrik „Straub & Schweizer“ für versilbertes Geschirr und Besteck in Geislingen gründet, 15 Jahre später in Berlin die erste Einzelhandelsfiliale. 1880 fusioniert das Unternehmen mit der Esslinger Metallwarenfabrik Ritter & Co zur Württembergischen Metallwarenfabrik AG.

Produkte
1927 beginnt die Herstellung von Großkaffeemaschinen und des ersten Dampfkochtopfs „Sicomatic“, 1969 wird der weltweit erste Kaffeevollautomat entwickelt.

Übernahmen
In den Jahren 1986 bis 2006 übernimmt WMF andere Hersteller wie Hepp (Tafel- und Serviergeräte für Hotelkunden), Silit (Kochgeschirr), Kaiser (Backformen) und Schaerer (Kaffeemaschinen) und steigt in den Markt für Elektrokleingeräte ein. Seit 2016 gehört WMF zum französischen Haushaltsgerätehersteller Groupe SEB.