Mehr Alkohol gleich mehr Gewalt – so lautet nach wie vor die Gleichung der Polizei für die Stuttgarter Partyszene an Wochenenden. Foto: Max Kovalenko/PPF

Mehr Straftaten, mehr mutmaßliche Täter, eine Rekordzahl an Opfern – trotz der Werte fürs Jahr 2012 sieht Stuttgarts Polizeipräsident Thomas Züfle wenig Grund zur Beunruhigung. Im Vergleich mit den 15 deutschen Metropolen über 500 00 Einwohner sei Stuttgart „eine der sichersten Großstädte“.

Stuttgart - Mord und Totschlag auf 130 Seiten? So schlimm ist es aus statistischer Sicht nicht, der Jahresbericht 2012 der Stuttgarter Polizei weist 34 sogenannte Straftaten gegen das Leben aus, wobei die Versuche miteingerechnet sind. Die meisten der 59.284 Delikte haben sich in den Bereichen Diebstahl, Betrug, Sachbeschädigung und Körperverletzung abgespielt. jeder vierte Tatverdächtige war unter 21 Jahre alt. Den Anstieg der Straftaten gegenüber 2011 um 53 will Polizeichef Thomas Züfle „nicht schönreden, aber auch nicht dramatisieren“.

Kriminalitätsschwerpunkt City

Kriminalitätsschwerpunkt City

Die meisten Straftaten finden in der Innenstadt und in Bad Cannstatt statt. Laut Züfle ist das in der City der Vergnügungsszene und in Cannstatt den zahlreichen Veranstaltungen auf dem Wasen geschuldet.

Mehr Gewalt auf der Straße

Mehr Gewalt auf Straße

Dass eine Statistik immer auch zwei Seiten haben kann, zeigt der Blick auf die Straßenkriminalität, die laut Züfle „rückläufig ist“. 8615 Fälle im Jahr 2012 bedeuten 365 Delikte weniger als 2011. Gleichzeitig verzeichnete die Polizei mehr sogenannte Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum, sprich Gewaltstraftaten – 3818 gegenüber 3661. Die Erklärung ist relativ einfach: Gewalt ist nur ein Bereich der Straßenkriminalität, und nach wie vor gilt im Umfeld der Partyszene an Wochenenden oft das Faustrecht, verstärkte Polizeipräsenz hin oder her. Körperverletzung und Raub finden zu zwei Dritteln am Wochenende statt, 60 Prozent der Täter stammen nicht aus Stuttgart. Dabei bekämpfen sich seltener als früher ganze Banden. „Stattdessen gibt es vermehrt kleine Scharmützel auf dem Weg von Club zu Club“, so Züfle. Immer häufiger werden auch Polizeibeamte angegangen. Es gilt: Ab 0 Uhr nehmen Schlägereien zu, Kino- oder Theaterbesucher sind nicht zwingend potenzielle Opfer.

Verbotener Alkoholverkauf

Verbotener Alkoholverkauf

Bei Gewaltdelikten spielt meistens Alkoholmissbrauch auch unter Minderjährigen eine große Rolle. Testkäufe mit Jugendlichen haben dabei „eine erschreckende Quote ergeben“, sagt Züfle. Fast die Hälfte der Versuche an Tankstellen und mehr als die Hälfte der Versuche im Einzelhandel waren dabei erfolgreich, sprich: Den Jugendlichen wurden verbotenerweise Alkoholika verkauft.

Konzepte aus der Misere

Konzepte aus der Misere

Thomas Züfle erhofft sich einen stärkeren Einsatz der Mobilen Jugendarbeit „als ideale Ergänzung zu uns“. Erfahrungen zeigten, dass die Mitarbeiter bei den Jugendlichen dort, wo jene sich zum sogenannten Vorglühen versammelten – etwa am Berliner Platz oder am Schlossplatz –, den richtigen Ton träfen. Also mehr Geld für Sozialarbeiter, die bisher ihren Dienst um 0 Uhr beenden? Er wolle der Stadt nichts vorschreiben, aber Ordnungsbürgermeister Martin Schairer und Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer „werden in die richtige Richtung gehen“.

Weniger Wohnungseinbrüche

Weniger Wohnungseinbrüche

Gefühlt durchkämmen täglich ganze Einbrecherbanden das Stadtgebiet. Tatsächlich ging die Zahl der Wohnungseinbrüche um 51 auf 882 Fälle zurück. Bei knapp der Hälfte handelt es sich um gescheiterte Versuche. Für Züfle ein Indiz dafür, dass die Präventionsoffensive der Polizei Wirkung zeigt. „Es lohnt sich, in Sicherungsmaßnahmen zu investieren, um sein Eigentum zu schützen.“ Fast 10.000 Stunden waren Beamte in Wohngebieten unterwegs. Neben unorganisierten Tätern aus der Region wandern auswärtige Banden von Großstadt zu Großstadt. Sie machen keinen Unterschied zwischen nobler Villa und Reihenhaus. Einbruchsbekämpfung bleibt für Züfle auch wegen der psychologischen Komponente ein Schwerpunkt der Polizeiarbeit. Manche Opfer seien so traumatisiert, „dass sie ihre durchwühlten Kleider verkaufen oder gar ausziehen wollen“. Entdecktes Diebesgut stellt die Polizei unter www.securius.eu.com ins Internet.

Aufklärungsquote gestiegen

Aufklärungsquote gestiegen

Von den insgesamt 59.284 Straftaten im Jahr 2012 wurden 37.386 aufgeklärt, für Züfle „eine hohe Aufklärungsquote“. Der Wert hat sich gegenüber 2011 um 0,3 Prozent auf 63,1 Prozent verbessert. Im Vergleich der 15 deutschen Großstädte mit über 500.000 Einwohnern liegt Stuttgart bei der Aufklärung auf Platz zwei. Gemessen an der Häufigkeit von Straftaten ist die Landeshauptstadt die drittsicherste Großstadt Deutschlands.