Ein Mädchen wird tot im Wald gefunden – und bald offenbaren sich Krimi-Abgründe aller Art in der ersten Netflix-Serie aus Luxemburg.
Stuttgart - Luxemburg ist bislang vor allem bekannt als Paradies für Leute, die lieber Steuern sparen, als das Gemeinwesen mitzufinanzieren. Nun tritt das kleine Land mit einem Paukenschlag als Filmstandort in Erscheinung, denn die dort produzierte Netflix-Krimiserie „Capitani“ hat es in sich. Eine Fünfzehnjährige liegt tot im Luxemburger Wald, ihre Zwillingsschwester wird vermisst und ein Cowboy-Kommissar kommt aus der Stadt ins Dorf, das sich als Sumpf aus Lügen, Geheimnissen und Drogen entpuppt.
Dabei erscheint die Szenerie zunächst als Mattscheiben-Idylle, wie man sie vom deutschen Vorabend kennt: Der Pfarrer kümmert sich um den Dorftrottel, der Bürgermeister führt die Suchtrupps an, beim Bäcker mit seinem Mützchen meint man, den frischen Brötchenduft zu riechen – doch nichts und niemand ist hier so, wie es scheint, an jeder Ecke lauern Verwerfungen und Intrigen. Alle Figuren erweisen sich als hochgradig ambivalent, jede und jeder ist in irgendeiner Weise in dubiose Umstände verstrickt, wie sich scheibchenweise herausstellt.
Ein Geist aus der Vergangenheit
Die untröstliche Mutter des Opfers ist seltsam inkonsequent, der Stiefvater des Mädchens genießt als Lehrer am örtlichen Gymnasium einen zweifelhaften Ruf, der leibliche Vater nimmt als Alpha-Männchen-Unternehmer mit Testosteron-Überlauf keinerlei Rücksichten. Die im Wald zum Manöver stationierten Soldaten geben sich seltsam abweisend, die Dorfpolizistin Elsa Ley gerät in ein Dilemma – und den titelgebenden Großstadt-Kommissar Luc Capitani sucht ein Geist aus der Vergangenheit heim.
Die in Deutschland weitgehend unbekannten Schauspielerinnen und Schauspieler machen ihre Sache gut, eine Prominente aber ist dabei und greift spät ins Chaos ein: die gebürtige Luxemburgerin Desirée Nosbusch („Bad Banks“). Das Krimi-Geschehen ist dicht inszeniert, der Wald rückt als dunkle Nebenfigur immer wieder ins Blickfeld. Wer Spaß an Sprachen hat, kann noch ein bisschen spezielle Atmosphäre zugeben: Die Originalfassung ist auf Luxemburgisch, eine moselfränkische Mundart ähnlich dem Saarländischen mit französischen Einsprengseln, deutsche Untertitel sind vorhanden.
Die Netflix-Strategie, in unterschiedlichen europäischen Ländern Serien zu produzieren, geht in diesem Fall ebenso auf wie bei „Dark“ (Deutschland) oder „Haus des Geldes“ (Spanien). Als Nebeneffekt dokumentiert der Streaming-Dienst auf unterhaltsame Weise die viel beschworene kulturelle Vielfalt des Kontinents.